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Gerichte in Civilsachen in den verschiedenen deutschen Gegenden
eine sehr verschiedene Praxis. Wir haben Gerichte, welche
unmittelbar nach jeder Sache berathen und die Entscheidung ver-
künden, solche, welche am Schlusse der Sitzung die Sachen
des Tages berathen und dann sofort die Entscheidung verkünden,
solche, welche am Schlusse der Sitzung eine gründliche, end-
gültige Berathung stattfinden lassen, aber erst an einem spä-
teren Tage die Entscheidung verkünden, solche, welche am
Sitzungstage provisorisch, an einem späteren Tage endgültig be-
rathen, und endlich Gerichte, welche am Sitzungstage überhaupt
nicht berathen, sondern erst an einem späteren Tage zur Be-
rathung zusammentreten. Bei den letzten beiden Kategorien von
Gerichten wird natürlich die Verkündung der Entscheidung von
vornherein ausgesetzt. Diese Unterschiede würden durch die An-
nahme des Antrags, von dem wir ausgegangen sind, ohne Zweifel
eine erhebliche Ausgleichung erfahren haben. Aber nicht zum
Segen der Rechtsprechung.
Die hervorgehobenen Unterschiede beruhen im Ganzen nicht
auf blossen Zufälligkeiten. Der Vertreter der Regierung hat in
der Reichstagskommission hervorgehoben, dass in denjenigen
Rechtsgebieten, in denen sich das mündliche Verfahren auf Grund
einer viele Jahrzehnte langen Uebung besonders eingelebt habe,
die Praxis vorwiege, nach der Verhandlung die Berathung und
Verkündung der Entscheidung zunächst zu vertagen. Dasselbe
ergeben im Wesentlichen die von BÄHrR? und Wach? angestellten
Enquöten. Diese Untersuchungen liegen jetzt allerdings schon
etwa anderthalb Jahrzehnte zurück, aber ihre Ergebnisse sind,
wie in anderen Punkten, so auch in dieser Beziehung heute noch
zutreffend. Darnach ist die sofortige Verkündung der Entschei-
dung besonders beliebt bei den altpreussischen, bayrischen und
badischen Gerichten, wogegen die Gerichte des ehemaligen franzö-
8 Jahrb. f. Dogmatik Bd. XXIII 8. 364 ff.
* Zeitschr. f. Civilprozess Bd. XI S. 163ff.