Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfzehnter Band. (15)

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regelmässig sofort entschieden werden können. Die Zahl der 
Rechtsfragen, welche für den Strafrechtspraktiker in Betracht 
kommen, ist im Verhältniss zu derjenigen, mit welcher sich der 
Civilrichter zu befassen hat, eine geringe. Das zeigt schon eine 
oberflächliche Vergleichung zwischen der Zahl der vorhandenen 
strafrechtlichen und der civilrechtlichen Satzungen, ein Vergleich, 
welcher nach der Herstellung des Bürgerlichen Gesetzbuchs leicht 
anzustellen ist. Dazu kommt, dass die einzelnen Straffälle ein- 
ander sehr viel mehr gleichen, als die Civilprozesse, und dass die 
Zahl der am häufigsten vorkommenden und daher die Straf- 
gerichte hauptsächlich beschäftigenden Delikte nur eine beschränkte 
ist. Im Civilverfahren herrscht dagegen die grösste Mannigfaltig- 
keit, und überwiegen viel öfter die reinen Rechtsfragen. Im Straf- 
prozess bildet die That den Ausgangspunkt, und handelt es sich 
darum, festzustellen, ob der Angeklagte diese, ihm zur Last ge- 
legte That begangen hat. Im Civilprozess bildet hingegen der 
Klageanspruch die Grundlage, und ist es von vornherein in vielen 
Fällen schon zweifelhaft, auf welche Thatumstände es überhaupt 
ankommt. Dies lässt sich häufig erst auf Grund eingehender 
Erwägung von Rechtsfragen bestimmen. 
So sehr es sich nun mit Rücksicht auf den Eindruck der 
mündlichen Verhandlung empfehlen mag, über thatsächliche Ver- 
hältnisse sofort nach der Verhandlung zu entscheiden, und so gut 
sich diese Einrichtung in dem Strafprozess bewährt hat, so wenig 
empfiehlt sich dies in einem die Mündlichkeit des Verfahrens zu 
voller Geltung kommen lassenden Civilprozess. Es herrscht denn 
auch unter den Anhängern und Gegnern der sofortigen Ent- 
scheidung kein Zweifel darüber, dass abgesehen von ganz einfach 
und klar liegenden Sachen ein Civilgericht, welches unbefangen 
in die Verhandlung eingetreten ist und keine genaue Kenntniss 
der Akten besitzt, nicht unmittelbar nach der Verhandlung ent- 
scheiden kann. Wenn bei der Berathung der Civilprozessordnung 
der Vorschlag einiger eifriger Anhänger des Mündlichkeitsprinzips
	        
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