Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfzehnter Band. (15)

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durchgedrungen wäre, und wir, wie im französischen Prozess, 
Abschriften der von den Parteien gewechselten Schriftsätze über- 
haupt nicht bekämen, also Gerichtsakten nicht besässen, so würde 
bei uns von einer sofortigen Publikation der Entscheidungen in 
erheblichem Umfange nicht die Rede sein können. Die sofortige 
Berathung und Entscheidung nach der Verhandlung hat zur 
Voraussetzung, dass schon vor der mündlichen Verhandlung 
Seitens des Gerichts auf Grund der Akten eine gründliche Vor- 
arbeit geleistet wird. 
Eine derartig gründliche Vorbereitung der Verhandlung auf 
Grund der Akten widerspricht aber dem Prinzip der Mündlich- 
keit sehr viel mehr, als die Vertagung der Berathung und Urtheils- 
fällung auf einen späteren Tag. Die Einführung der sofortigen 
Berathung und Entscheidung würde auch dort, wo die Mündlich- 
keit des Verfahrens thatsächlich durchgeführt ist und nicht, wie 
GOLDENRING ® in seinem Aufsatz über Begriff und Durchführung 
des Grundsatzes der Mündlichkeit im Civilprozess mit Recht aus- 
führt, eine blosse „Scheinmündlichkeit“ besteht, die Mündlichkeit 
schwer gefährden und uns allmählich zur Schriftlichkeit oder 
wenigstens zu dem preussischen Prozess des schriftlichen Ver- 
fahrens mit angehängter mündlicher Verhandlung zurückführen. 
Um dies nachzuweisen, bedarf es eines Eingehens auf die 
Frage der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Seitens des 
Gerichts. Wie das Verfahren hinsichtlich der Berathung und 
der Verkündung der Entscheidung, so ist auch das Verfahren 
bezüglich der Vorbereitung der Verhandlung bei den deutschen 
Gerichten ungemein verschieden geordnet. Hierüber gewähren die 
erwähnten Untersuchungen von BÄHr und Wach einen genügenden 
Aufschluss. Darnach gibt es Gerichte, bei denen die Akten vor 
der Sitzung unter sämmtlichen Mitgliedern cirkuliren. Bei anderen, 
und das ist in einem grossen Theil von Deutschland die Regel, 
5 Zeitschr. f. Civilprozess Bd. XIV S. 73. 
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