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schriftlich festgestellt werde, Ein solcher Vorschlag muss eben
von vornherein an seiner Undurchführbarkeit scheitern. Denn auf
den Gedanken, im Strafverfahren schon vorher auf Grund der Akten
einen Thatbestand zu entwerfen, wird wohl Niemand kommen.
Die praktische Unmöglichkeit einer genauen schriftlichen
Feststellung des Thatbestandes unmittelbar nach der Verhand-
lung schliesst aber nicht aus, dass dennoch gleich nach der Ver-
handlung der Sache oder vielmehr am Schlusse der Sitzung das
Gericht in die Berathung über die Sache eintritt und den That-
bestand in grossen Zügen feststellt. Ein solches Verfahren ist
bei manchen Gerichten?!, welche die Verkündung der Entscheidung
auszusetzen pflegen, üblich. Ich muss aber der Aussetzung der
Berathung den Vorzug vor dieser Art von Berathung geben.
Wird die Berathung an einem späteren Tage abgehalten, so treten
die Mitglieder des Gerichts mit ganz anderer geistiger Frische
an die Berathung heran, als wenn die Berathung am Sitzungs-
tage selbst stattfindet. Eine provisorische Berathung am Schluss
der Sitzung nimmt unter dem Einfluss der Abspannung gar zu
leicht einen oberflächlichen Charakter an und hat dann gar keinen
Werth. Dadurch wird der theoretische Vortheil, welchen die
Abhaltung der Berathung unter dem Eindruck der mündlichen Ver-
handlung haben soll, in der Regel mehr als aufgewogen. Nach
einer Sitzung, welche bei den grösseren deutschen Landgerichten
kaum von weniger als vierstündiger Dauer ist, oft, wie z. B. in Ham-
burg, bis zu sechs und sieben Stunden dauert, ermangeln die mei-
sten Richter der geistigen Frische, welche nothwendig ist, um über
schwierige That- und Rechtsfragen in gründlicher Weise berathen
zu können. Auch wenn die Sache durch das Referat noch so
eingehend vorbereitet ist, kann eine übereilte Entscheidung zu
Stande kommen, an welcher, da sie bereits verkündet ist, nichts
mehr zu ändern ist.
31 7. B. beim Hamburger Landgericht.