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beschränkten Verdeutschung steht vielfach noch das Hinderniss
entgegen, dass die neugeschaffenen Worte keine eigentlichen
Worte, sondern Uebersetzungen oder Umschreibungen sind,
die einer allgemeinen praktischen Verwendung durch ihre Schwer-
fälligkeit und ganz besonders durch ihren Mangel an sprachlicher
Beweglichkeit in Verbindungen, Adjektivbildungen u.s. w. wider-
streben.
Und damit kommen wir zu dem Gesichtspunkt, der für uns
die Hauptsache sein muss, nämlich die Interessen des Rechts-
verkehres und die Volksthümlichkeit des Rechts. Man darf
aus sprachästhetischen Gründen niemals so weit gehen, dass die
neu geschaffenen Worte sich dem praktischen Gebrauch
hinderlich erweisen, denn dann werden sie sich auch niemals ein-
bürgern, sondern sie stellen günstigstenfalls einen gesetzlichen
Kunstausdruck neben dem im Verkehr üblichen dar. Um ein
Beispiel einer ganz verfehlten Wortbildung zu geben, sei das un-
glückliche Wort „der bürgerliche Rechtsstreit“ erwähnt. Spricht
man im Publikum oder in Juristenkreisen wohl jemals von einem
„bürgerlichen Rechtsstreit“? Kann sich der Laie, der nicht weiss,
dass damit eine Uebersetzung des Civilprozesses gemeint ist, etwas
darunter denken? Und das Gegentheil? Etwa: der „Strafrechts-
streit?“ O nein! da bleiben wir beim Strafprozess! In der
That ist der Ausdruck „Rechtsstreit“ eine wenig glückliche Er-
findung, ein Wort, das der Jurist nicht braucht, und das im
Publikum völlig unbekannt geblieben ist. Es hat alle Schatten-
seiten einer Erfindung vom grünen Tisch oder von der Studir-
stube. Das Gesetz selbst kann mit dem Wort nichts weiter an-
fangen und muss bei Prozesskosten, Wechselprozess, prozess-
hindernden Einreden u. s. w. bleiben. Das Wort „Prozess“ ist
so geläufig, so sehr in die allgemeine Verkehrssprache über-
gegangen, dass jeder Versuch, es durch ein deutsches Wort zu
ersetzen, im Verkehr unbeachtet bleibt. Das ist eine Schranke,
die ein sprachlich feinfühliger Gesetzgeber nicht aus den Augen