Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfzehnter Band. (15)

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beschränkten Verdeutschung steht vielfach noch das Hinderniss 
entgegen, dass die neugeschaffenen Worte keine eigentlichen 
Worte, sondern Uebersetzungen oder Umschreibungen sind, 
die einer allgemeinen praktischen Verwendung durch ihre Schwer- 
fälligkeit und ganz besonders durch ihren Mangel an sprachlicher 
Beweglichkeit in Verbindungen, Adjektivbildungen u.s. w. wider- 
streben. 
Und damit kommen wir zu dem Gesichtspunkt, der für uns 
die Hauptsache sein muss, nämlich die Interessen des Rechts- 
verkehres und die Volksthümlichkeit des Rechts. Man darf 
aus sprachästhetischen Gründen niemals so weit gehen, dass die 
neu geschaffenen Worte sich dem praktischen Gebrauch 
hinderlich erweisen, denn dann werden sie sich auch niemals ein- 
bürgern, sondern sie stellen günstigstenfalls einen gesetzlichen 
Kunstausdruck neben dem im Verkehr üblichen dar. Um ein 
Beispiel einer ganz verfehlten Wortbildung zu geben, sei das un- 
glückliche Wort „der bürgerliche Rechtsstreit“ erwähnt. Spricht 
man im Publikum oder in Juristenkreisen wohl jemals von einem 
„bürgerlichen Rechtsstreit“? Kann sich der Laie, der nicht weiss, 
dass damit eine Uebersetzung des Civilprozesses gemeint ist, etwas 
darunter denken? Und das Gegentheil? Etwa: der „Strafrechts- 
streit?“ O nein! da bleiben wir beim Strafprozess! In der 
That ist der Ausdruck „Rechtsstreit“ eine wenig glückliche Er- 
findung, ein Wort, das der Jurist nicht braucht, und das im 
Publikum völlig unbekannt geblieben ist. Es hat alle Schatten- 
seiten einer Erfindung vom grünen Tisch oder von der Studir- 
stube. Das Gesetz selbst kann mit dem Wort nichts weiter an- 
fangen und muss bei Prozesskosten, Wechselprozess, prozess- 
hindernden Einreden u. s. w. bleiben. Das Wort „Prozess“ ist 
so geläufig, so sehr in die allgemeine Verkehrssprache über- 
gegangen, dass jeder Versuch, es durch ein deutsches Wort zu 
ersetzen, im Verkehr unbeachtet bleibt. Das ist eine Schranke, 
die ein sprachlich feinfühliger Gesetzgeber nicht aus den Augen
	        
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