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nelle Bestimmungen ergänzen und verbessern zu wollen; fortan
ohne ihre Zustimmung "keine weiteren Anleihen auf Rechnung
von Finnland zu schliessen; endlich den Ständen das Recht der
Initiative mit Ausnahme zu Verfassungsänderungen gewähren zu
wollen. Demzufolge bekräftigte er am 14. Mai 1867 ein neues
Reichstagsgesetz, das auf seine Initiative hin vom Reichstag
votirt worden ist. Es enthält eine wichtige Ausdehnung der
konstitutionellen Gesetze des 18. Jahrhunderts und bildet mit
diesen die verfassungsmässige Grundlage des heutigen Rechts-
zustandes in Finnland.
II.
Da nun die Thaten und Gesinnungen des Kaisers Alexander I.
bei der Gründung des gegenwärtigen Verfassungs-Rechtszustandes
Finnlands jedem Zweifel entzogen sind, so ist es zweitens noth-
wendig, dieses Verhältniss selbst näher in’s Auge zu fassen und
genau zu bestimmen:
1. Welchen staatsrechtlichen Charakter hat Finnland selbst?
2. In welchem Rechtsverhältniss steht es zu Russland?
Ad 1. Die Frage, ob Finnland eine Provinz oder ein
Staat genannt werden muss, ist keineswegs ein blosses Spiel mit
Worten, sondern eine Frage von grosser praktischer Tragweite.
Erstens muss hervorgehoben werden, dass Alexander I]. selbst
nicht gescheut hat, Finnland mit dem Namen „Staat“ zu be-
zeichnen; so z. B. in einem Reglement vom 6. Aug. 1809 zur
Einsetzung eines Regierungsrathes: „en considerant qu’une ad-
ministration generale ne manquera pas d’exercer la plus salutaire
influence sur le bien-ötre de l’Etat.“ Ebenso erklärte Alexander’s
vertrauter Rathgeber Speranski, erster Staatssekretär für Finn-
land, unumwunden: „Finnland ist ein Staat (gosudarstvo), keine
Provinz (gubernia)“. — Wichtiger noch sind aber die Beweise,
welche einer genauen Analyse der positiv-rechtlichen Vorschriften
und faktischen Verhältnisse entnommen sind. Denn bei der schwan-
kenden Terminologie verbürgt das Wort „Staat“ keineswegs das