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finnischen Gesetzen und entsprechenden, von finnischen Autoritäten
ausgefertigten Befehlen herrühren.
Wenn darum Finnland weder Provinz noch Staatstheil
heissen kann, bleibt nur übrig, dass es selbst einen Staat oder
ein Ganzes bildet. Freilich findet diese Behauptung keine Gnade
in den Augen derer, die die Souveränetät oder internationale
Unabhängigkeit als Merkmal des Staates betrachten; denn diese
letzte fehlt Finnland zweifelsohne. Männer wie SEYDEL, LASSEN,
ZORN und viele andere sprechen desshalb Finnland den Staats-
charakter unbedingt ab. Man kann aber auch mit LABAND,
JELLINEK, BRIE und einer nicht kleineren Zahl anderer Publi-
zisten die Meinung vertreten, dass zwar die Souveränetät eine
höchst wichtige Eigenschaft der meisten Staaten ist — eine Eigen-
schaft, welche ihre Stellung im internationalen Rechte bestimmt —,
dass sie aber doch keineswegs ein nothwendiges Erforderniss
sei, um als Staat anerkannt und behandelt zu werden.
Auch auf diesem Standpunkt besteht aber keine Einstimmig-
keit über Finnlands wahre Rechtsstellung. Unter Andern ver-
'neint JELLINEK Finnlands Staatscharakter, weil es durch Er-
oberung und desshalb durch Vernichtung der früheren Staats-
gewalt unter Russlands Herrschaft gerathen und keineswegs ver-
tragsmässig mit Russland verbunden ist. Auch ohne Rücksicht
zu nehmen auf die hier unterlaufenen Ungenauigkeiten der
geschichtlichen Darstellung sind die Unterzeichneten der An-
sicht, dass nicht die Weise der Entstehung, sondern die Natur
des Rechtsverhältnisses selbst entscheidet und dass dieses letztere
nicht ausschliesslich aus einem internationalen Vertrage entsteht.
In einer späteren Arbeit von 1896 („Ueber Staatsfragmente“) lässt
dieser gründliche Kenner der verwickeltsten Staatseinrichtungen
seine früheren Ansichten fahren, spricht jedoch abermals Finn-
land den Staatscharakter ab, weil seine Verfassung keine selb-
ständige monarchische Staatsgewalt, welche nicht schon in einer
anderen Krone einbegriffen wäre, kennt. Auch dieser Grund