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erscheinen, indessen meine ich, dass dieser Gedanke bei näherer
Beleuchtung nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen sei.
Ich verstehe, wie ich schon in der Zeitschrift „Das Recht“ 1900
Nr. 5 ausgeführt habe, unter „Gewerbekrankheiten“ ausschliess-
lich diejenigen Krankheiten, welche die Arbeiter gewisser Be-
triebe regelmässig bei längerer Arbeit in denselben zu befallen
pflegen, und welche durch ihre ganz charakteristischen Merkmale
kenntlich sind; z. B. die Bleivergiftung in allen denjenigen Be-
trieben, in welchen Blei gefunden, verarbeitet oder in denen mit
bleihaltenden Gegenständen gearbeitet wird, ähnlich die Phosphor-
vergiftung, das Augenzwinkern der Bergleute, die Schwerhörig-
keit der Kesselschmiede u. s. w. Nach wie vor ausgeschlossen
müssen auch meiner Ansicht nach alle diejenigen Krankheiten
hierbei bleiben, welche nach der wissenschaftlichen Erfahrung in
Folge einer Prädisposition des menschlichen Körpers leichter
Eingang in den letzteren finden, insbesondere also die Tuber-
kulose — Schwindsucht. Es ist nicht recht erfindlich, warum
man diejenigen Arbeiter schlechter stellt, welche ausser der Un-
fallgefahr noch der besonderen Krankheitsgefahr des Betriebs
unterliegen, die in der Betriebsart ihren Grund hat. Man kann
sagen, Leute, welche von einer solchen Gewerbekrankheit befallen
werden, bekommen ja die Invalidenrente nach dem Invalidenversiche-
rungsgesetze. Gewiss, doch aber erst, wenn sie invalid im Sinne
dieses Gesetzes sind, nicht eher, also namentlich noch nicht, wenn sie
nur in ihrer Erwerbsfähigkeit beschränkt sind. Ueberdies steht
ja die Invalidenrente schliesslich jedem Arbeiter zu. Und was
die finanzielle Seite angeht, so würde diese Erweiterung der Ver-
sicherung selbstverständlich den Berufsgenossenschaften, welche
betroffen werden, Geld kosten, allein erstens einmal wird die
Mehrbelastung umsoweniger eine besonders erhebliche werden
können, wenn die Betriebsunternehmer, deren Arbeiter vorzugs-
weise einer (rewerbekrankheit ausgesetzt sind, zu besonderen
Beiträgen herangezogen werden — die Gefahr ihrer Betriebe ist
ja eine zweifache: Unfallgefahr und Krankheitsgefahr —, als-
dann sind glücklicherweise die Gewerbekrankheiten nicht so
häufig, dass die Belastung eine unerschwingliche werden könnte,