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gebaut, und es ergab sich die Nothwendigkeit, hierfür wie für
den erweiterten Betrieb des Bahnhofs noch weitere Schienen-
stränge dort anzulegen. Die betreffenden Wegestrecken wurden
desshalb ganz gesperrt und in den Bahnhof einbezogen. Damals
befand sich jenseits der Bahn nur ein vereinzeltes Gebäude; seit-
dem hat sich ein ganzer Stadttheil dort entwickelt. Die Stadt
fand den noch verbliebenen Geleiseübergang jetzt mehr und mehr
ungenügend. Sie verlangte Ueberbrückung des Bahnhofes mit
einer Fahrbahn und erhob schliesslich beim Landgericht Kolmar
gegen die Kaiser]. General-Direktion der Reichseisenbahnen Klage
mit dem Antrag auf. Feststellung ihres Eigenthums an jenen
beiden Wegen, Verurtheilung der Beklagten, dass sie diese wieder
eröffne und dem ungestörten öffentlichen Verkehr übergebe, und
auf Schadensersatz wegen der bisherigen rechtswidrigen Vorent-
haltung. Das Gericht erkannte unterm 4. Dezember 1894 dahin:
Beklagte sei verpflichtet „zur Rückgabe des vollen Eigenthums-
und Nutzungsbesitzes an den streitigen Uebergängen“. Da aber
diese aus Rücksicht auf den steigenden Verkehr des Bahnhofs
nicht wohl durchführbar und im öffentlichen Interesse eine Er-
zwingung unthunlich erscheint, „so geht die Naturalverpflichtung
der Beklagten in die Verflichtung zur Leistung des Interesses
über (art. 1142 c. c.)*, d. h. die Beklagte hat der Klägerin die
Kosten eines nunmehr von dieser vorzunehmenden Unterführungs-
oder Ueberbrückungsbaues zu bezahlen. In diesem Sinne wird
die Beklagte zu Schadensersatz verurtheilt mit Vorbehalt genauer
Berechnung. Auf beiderseits erhobene Berufung erkannte das
Oberlandesgericht Kolmar unterm 2. April 1897 schlechthin nach
den Anträgen der Stadt. „Da eine absolute Unmöglichkeit der
Wiedereröffnung der Uebergänge nicht vorliegt... muss die
Beklagte gehalten erscheinen, die Wege für den öffentlichen
Verkehr- freizugeben.“ Ausserdem hat sie nach art. 1382 c. c.
den durch die rechtswidrige Schliessung entstandenen Schaden
zu ersetzen.