Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfzehnter Band. (15)

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Das Oberlandesgericht hatte mit Recht hervorgehoben, dass 
die fraglichen Wegestrecken in dem zur Erweiterung des Bahn- 
hofes Kolmar 1876 durchgeführten Enteignungsverfahren nicht 
einbegriffen worden waren; es glaubte desshalb auch nicht unter- 
suchen zu müssen, „ob eine Expropriirung von öffentlichem 
Gemeindegut angängig“. Die Frage durfte kurzweg verneint 
werden; nach französischem Recht unterliegt das öffentliche 
Eigenthum zweifellos nicht der Enteignung!, und auch für andere 
Rechtsgebiete wird sich das behaupten lassen. Die Enteignung 
ist der Ausdruck der Oberhoheit des Staates über das privat- 
rechtliche Eigenthum, des dominium eminens, wie man es früher 
nannte; sie geht ihrer Natur nach am Öffentlichen Eigenthum 
vorüber Was manchmal irre gemacht hat, das ist gerade der 
Umstand, dass den Eisenbahnanlagen auch öffentliche Wege 
weichen müssen”. Wenn man aber genauer zusieht, so erkennt 
man, dass es hier nicht die Enteignung ist, die das bewirkt, 
sondern etwas ganz Anderes, nämlich das Rechtsinstitut, das 
wir hier vor uns haben. 
Dass öffentliche Wege nicht enteignet werden können, ist 
für andere öffentliche Unternehmungen von so grosser Bedeutung 
nicht. Sie können im schlimmsten Fall ihnen ausweichen. Die 
Eisenbahn kann das nicht; sie muss gerade durch das Gebiet 
entlang. Der Staat, der sie baut oder konzessionirt, wird ihr 
auch seine Strassen preisgeben. Aber die Provinz, die Ge- 
meinde? Wenn sie nicht will und wenn der Grundsatz feststeht, 
dass das Mittel der Enteignung hier nicht hilft? Wie soll das 
! De Lauteav, Tr. de l’expropriation I n. 182; pe Weıss, De l’ex- 
propriation p. 78. — Dass nach geschehener Aufhebung (declassement) des 
Weges u. s. w. die Enteignung zulässig ist, steht damit nicht in Wider- 
spruch: dann handelt es sich eben nicht mehr um öffentliches Eigenthum. 
% Hierüber: Deutsches Verwaltungsrecht Bd. II S. 22ff. 
° F. Seyver, Gesetz über die Enteignung $S. 7; bayer. Verwaltungs- 
gerichtshof vom 4. Mai 1876 (Sammlung Bd. VII S. 231).
	        
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