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ausdrücklichen Bestimmungen des Gesetzes selbst nur angesehen
als die Bestätigung des auch ohne diese geltenden im Voraus
bestehenden Rechts”.
2. Das Wegeverlegungsrecht der Eisenbahnen ist nur eine
Erscheinungsform eines umfassenderen Ideenkreises des öffent-
lichen Rechts. Oeffentlichen Unternehmungen wohnt eine gewisse
Kraft inne, vermöge deren sie entgegenstehende Rechte über-
winden 'und zurückdrängen. Die Franzosen haben diesen Ge-
danken besonders klar und umfassend entwickelt in ihrer Lehre
von den travaux publics. Im deutschen Verwaltungsrecht, nament-
lich im preussischen, ist die Sache noch vielfach verdunkelt durch
die alte Fiskustheorie: der Fiskus arbeitet wie ein anderer Mensch,
und der Staat leiht ihm dazu seine obrigkeitliche Gewalt, mit
welcher er Hindernisse aus dem Rechte Anderer beseitigt; wo
das geschehen soll, findet man schlimmsten Falles immer irgend
eine Art „polizeilicher Verfügung“, die dahinter steckt; mit dieser
künstlichen Konstruktion wird das rechtliche Ergebniss gleich-
falls erreicht, nur wäre das einfacher zu haben.
Die Rechte an Grund und Boden sind es vornehmlich,
welche derartigen Beeinträchtigungen zu Gunsten des Öffentlichen
Unternehmens unterliegen. Die Enteignung liefert das Haupt-
beispiel. Das Oberlandesgericht in seinem besprochenen Urtheile
der Gewährung der Enteignungsentschädigung. Thatsächlich giebt man sich
ja auch meist mit dem zufrieden, was nach dem Projekte freigebig als Ersatz
gewährt wird, und in dem von Technikern geleiteten Verfahren wird dess-
halb der juristische Unterschied kaum hervortreten. Aber er besteht doch
und kann recht bedeutsam werden.
” HapereR, Oesterr. Eisenbahnrecht S. 137: „Nach dem Grundsatze,
dass bei der Konkurrenz zweier staatlicher Zwecke jenem der Vorrang ge-
bührt, welchem der grössere allgemeine Nutzen innewohnt, kann es nicht
zweifelhaft sein, dass gegenüber dem Eisenbahnwesen das einfache Strassen-
wesen zurückzutreten hat.“ Der Wortlaut des österreichischen Gesetzes
genügt; er wird aber hier unterstützt durch denselben Gedankengang,
welchen man auch im preussischen und französischen Recht zur Geltung
bringt, um die dortigen Lücken auszufüllen.