— 531 —
Staatsgewalt und lässt sie durch diese ausüben in seinem, des
Reiches Interesse, Das Letztere ist's, was am meisten den
Unterschied von einem richtigen Staate fühlbar macht. Freilich
die Natur der Sache drängt dazu und das eigene Interesse des
Reichs, dass dies Alles zugleich im Interesse des Landes ge-
schehe: die beiden Interessen erscheinen so zunächst thatsächlich
gemischt. Rechtlich wird dadurch die Sache nicht anders: will
man Elsass-Lothringen einen Staat nennen, so ist es ein Staat
mit sequestrirter Staatsgewalt??, Immerhin, wenn auch in fremden
Händen und fremden Interessen dienstbar, die besondere „Staats-
gewalt in Elsass-Lothringen“ ist da und als solche für dieses
Gebiet in Thätigkeit; desshalb ist das Land keine Provinz zu
nennen und kein Schutzgebiet**. Von allen Arten von Gebiets-
körperschaften steht es immer noch dem Staat am nächsten ®®,
23 Das ist natürlich gleichbedeutend mit „keinem Staat“. Das Nämliche
liegt in den auf Elsass-Lothringen angewandten Ausdrücken: „unvollkommenes,
unselbständiges Staatswesen“ (LEonı, Verfassungsrecht von Elsass-Lothringen
S. 7) oder „Staatsfragment“ (JELLINER, Ueber Staatsfragmente S. 31ff.).
?* Als Selbstverwaltungskörper, Provinzialverband fassen Elsass-Loth-
ringen auf: LoEnıne, Verwaltungsrecht S. 77; G. MEvER, Staatsrecht S8. 183.
Dabei muss man allerdings doch wieder Institutionen daran zugestehen, die
„nicht denen einer Provinz, sondern denen eines Staates entsprechen“. Man
könnte meinen: da Elsass-Lothringen doch nun einmal ein Mittelding ist
zwischen Staat und Provinz, sei es einerlei, ob man es einen unvollständigen
Staat nennt, wie vorhin Note 23, oder eine gesteigerte Provinz wie hier ge-
schieht.. Es ist aber nicht gleichgültig. Um Elsass-Lothringen zu verstehen,
muss der Ausgang vom Staatsbegriff genommen werden. Denn eine Staats-
gewalt ist hier auszuüben, das ist doch klar, und auch eine verkümmerte,
unfreie Staatsgewalt ist immer noch etwas Anderes als eine Provinzialgewalt.
Diese besteht ihrem Wesen nach nur für beschränkte Zwecke, jene ist höchste
Gewalt, auf das Ganze gerichtet, mag sie in concreto noch so sehr eingeengt
erscheinen. Es bleibt ein Wesensunterschied wie zwischen Recht an fremder
Sache und Eigenthum.
25 Es ist verschiedentlich versucht worden, diese „Staatsartigkeit“ auf
eine bestimmte, den gegebenen Terminologien angepasste Formel zu bringen,
Ram, Allgemeine Staatslehre S. 165, nennt Elsass-Lothringen ein staatsrecht-
liches Nebenland, einen Nebenstaat; Rosensere, Staatsrechtliche Stellung
von Elsass-Lothringen $. 42, einen Vassallenstaat. Beide finden das Besondere