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im Plenum im technischen Sinne, d. h. vor der Oeffentlichkeit.
Freilich braucht hier — etwa einer getroffenen Vereinbarung
gemäss?! — in der eröffneten Diskussion das Wort nicht erbeten
zu werden, und kann desshalb dieselbe sofort wieder geschlossen
werden°?, sodass sinnfällig nur die Abstimmung, rechtlich aber
auch die Berathung öffentlich ist.
Jedenfalls involvirt eine in geheimer Berathung und Ab-
stimmung erfolgte Ablehnung eines Gesetzesparagraphen, An-
trages u. dgl. ebenso einen Beschluss, wie die Annahme. Die
Konsequenzen sind also für beide Möglichkeiten gleich.
Im Falle, dass eine Wiederholung der Beschlussfassung in
formell gesetzmässiger — d. h. öffentlicher — Form nicht erfolgt,
ergiebt sich folgende Sachlage: Entweder 1. in der öffentlichen ®?
Gesammtabstimmung wird das Gesetz in toto abgelehnt; hier
theilt ohne Weiteres die in Frage kommende Bestimmung das
Schicksal des ganzen Entwurfs. Oder 2. in der öffentlichen
Gesammtabstimmung wird das ganze Gesetz angenommen; hier
lässt das verfassungswidrige Verfahren drei Möglichkeiten offen ®®:
a) Gültigkeit des ganzen Gesetzes einschliesslich der Bestimmung,
welche nichtöffentlich erledigt wurde. Diese Eventualität ist
meines Erachtens zu verneinen, und zwar desshalb, weil — selbst
angenommen, die Gesammtabstimmung schliesse die partielle
Abstimmung als das minus in sich — über den in Betracht
kommenden Theil nicht auf verfassungsmässigem Wege verhandelt
worden ist, sodann aber auch — per argumentum & contrario —
31 Eine solche bindet aber nur den, der sich ihr unterwerfen will.
82 Artikel „Die Oeffentlichkeit der Reichstagsverhandlungen“. „Vossische
Zeitung“ vom 21. März 1900 (No. 135).
83 Erfolgt auch diese geheim, so gelten nur die obigen Regeln,
während die im Text folgenden nicht in Betracht kommen.
8: Das Folgende bezieht sich nur auf den Gesetzentwurf, wie er sich
in den Reichstagsverhandlungen endlich gestaltet hat und demnächst an den
Bundesrath gelangt, nicht auf ein ordnungsmässig ausgefertigtes und ver-
kündigtes Gesetz in engerem Sinne.
Archiv für öffentliches Recht. XV. 4. 37