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was für den Verkehr der Privatpersonen gilt. Auch hat meines
Erachtens dieselbe Furcht Vielen Veranlassung gegeben, in dem
internationalen Privatrecht nur dem Völkerrecht unterworfene
Verhältnisse zwischen Staaten zu sehen, um auf diese Weise,
mit Hülfe einer sich auf Meinungen der Schriftsteller und Kon-
gressbeschlüsse stützenden Gewohnheit der Staatsmächte zwin-
gende Vorschriften hineinzudeuteln.
Ist also, abgesehen von der subsidiären Vernunftkraft, für
die Zwingkraft des internationalen Privatrechts eine Ordnung der
gesellschaftlichen Obrigkeit nöthig, so ist die Frage leicht zu
beantworten, an welche Obrigkeit man sich wenden muss. Da
kein Weltgesetzgeber vorhanden ist, kann die zwingende Norm
nur von dem einzelnen Staat oder von einer freiwilligen Staaten-
gemeinschaft gegeben werden. Die Lage des einzelnen Staates
und die der Staatengesammtheit sind aber durchaus verschieden,
nicht was das Ziel anbetrifft, sondern in Bezug auf die Mittel.
Der einzelne Staat kann kein Weltverkehrsrecht kodifiziren und
deshalb die reinen Vernunftvorschriften nicht immer verwirklichen;
er hat die Gesellschaft der Menschen zu nehmen, wie sie ist, mit
der Verschiedenheit, ja selbst mit dem Widerspruch der lokalen
Rechtsordnungen. Nur kann er für jeden Rechtsstreit, welcher
sich vor dem Richter in seinem Lande erhebt, dem Richter Vor-
schriften geben und also für den Verkehr eine gewisse Rechts-
sicherheit herstellen. Die Staatengesammtheit aber kann, wenn
eine gemeinschaftliche Ueberzeugung der Staaten entstanden ist,
wirklich allgemein-gültige Verkehrsvorschriften geben, sie braucht
nie Widersprüche zu dulden. Selbstverständlich muss sie sich,
so lange das internationale Staatsrecht keine Form geschaffen
hat, welche dem Gesetze genau entspricht, mit gleichlautenden
Gesetzen oder Staatsverträgen behelfen, und es ist auch
selbstverständlich, dass, so lange nicht alle Staaten sich an-
schliessen, die Staatengesammtheit ihre Aufgabe nur zum Theil
erfüllen kann.
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