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Obligationen- und Kreditrechte zu einer reichen Quelle neuer Belehrung
werde. Die Konklusion der Schrift liegt in dem Satze, dass die ver-
mehrte Forderung von Treu und Glauben mit dem entwickelten Organi-
sationsbestreben der modernen Welt eng zusammenhängt.
Ich empfehle allen Juristen das Studium der beiden Schriften von
St. angelegentlich.
Zürich. Professor Meili.
Ph. Lotmar, Der unmoralische Vertrag insbesondere nach ge-
meinem Recht. Leipzig, Duncker & Humblot, 1896. I—X u. 198 S.
M. 4.40.
Die vorliegende Schrift behandelt jene grosse und schwierige Frage,
welche mehreren Wissenschaften zugleich angehört: welches ist der Einfluss
der Moral auf das Recht. Allerdings muss sofort hinzugefügt werden, dass
der Verf. den Umfang seiner Studien selber eingeschränkt hat auf das, was
er den negativen Einfluss der Moral im Recht nennt, d.h. auf jene Vor-
kommnisse, „bei denen die lex lata mit der Moral in eine Kollision gerät,
in der, wenn das Recht auf seiner Bahn verharrte, die Moral zu Schanden
kommen würde, daher es sich gegen die Immoralität zur Wehr setzt, sie
mit diesem oder jenem Mittel bekämpft“ (S. 9). Ferner behandelt der Verf.,
wie der Titel seines Buches sagt, ganz wesentlich nur den Vertrag und zwar
nur denjenigen des Privatrechts. Immerhin wird der Betrachtung der Ver-
träge eine kurze Beleuchtung der einseitigen Rechtsakte vorausgeschickt
(S. 22—27). Der Verf. durchgeht dann die verschiedenen Verträge und
namentlich diejenigen des Familienrechts und des Vermögensrechts (S. 27f.).
Es werden drei Hauptformen des unmoralischen Vertrages unterschieden:
1. wenn eine Handlung, Duldung oder Unterlassung vereinbart wird,
die unmoralisch ist (S. 68ff.).. Beispiele aus der Praxis: die Vereinbarung
über Schmuggel, über Erlass der ehelichen Treue.
2. wenn zum Gegenstand einer Vereinbarung eine Handlung, Duldung
oder Unterlassung gemacht wird, die zwar nicht unmoralisch aber von Moral-
wegen nicht vertraglich vorgenommen oder zugesichert werden darf (S. 71
bis 72ff.). Beispiele aus der Praxis: der Vertrag zur Uebertragung der Er-
füllung der Elternpflicht, der Vertrag der Ehegatten über den gemeinsamen
ehelichen Wohnsitz.
ö. wenn der Vertrag eine ökonomische Leistung in Kausalbeziehung
zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung setzt, welche (mag sie mora-
lisch oder unmoralisch sein) von Moralwegen nicht in solcher Kausal-
beziehung zu Geld oder Geldeswert stehen soll (S. 73ff.). Beispiele aus der
Praxis: Vereinbarung einer Belohnung für wahrheitsgemässe Zeugnissablegung,
Zusage von Geld durch die Frau an den Mann für dessen Einwilligung zur
Eihescheidung.