Full text: Archiv für öffentliches Recht.Fünfzehnter Band. (15)

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die Stände wählen zu lassen, war der staatsrechtliche Schluss unvermeidlich, 
dass die Träger der Souveränetät nicht die Könige, sondern die Stände 
seien, diejenigen, die das Recht der Königswürde nach eigenem Ermessen 
übertrugen. Und es handelte sich hierbei keineswegs um eine rein theore- 
tische Konstruktion, sondern um eine Auffassung, die sehr einschneidende, 
praktische Wirkungen hervorrief. Denn durch die Königswahl verpflichten 
sich die Stände zu dem Gehorsam des Vasallen keineswegs bedingungslos 
und ohne Entgelt, der König bindet sich ebenfalls den Wählern gegenüber. 
Ueberschreitet er die ihm verbürgten Rechte oder verletzt er die bei der 
Krönung beschworenen Pflichten, so haben die Stände das Recht, ihn durch 
bewafineten Widerstand zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten zu zwingen 
oder, falls dies erfolglos bleibt, „von Rechts wegen“ abzusetzen. Dieses „Recht 
der Revolution“ und die damit zusammenhängende Theorie von der Absetz- 
barkeit des Königs sind in der That unabweisbar, sobald das Königtum „als 
ein Amt angesehen wird, das die Wähler übertragen haben und demgemäss 
wieder zurücknehmen dürfen, wenn der Erkorene ihre Forderungen und seine 
Pflichten nicht erfüllt“ (S. 27—28). War schon durch diese allgemeine 
staatsrechtliche Auffassung ein Anlass zu einem fortdauernden Kriegszustand 
zwischen den Ständen und dem Königtum geschaffen, so wurde die Entwick- 
lung des Staates noch besonders durch die engherzige und kleinliche Ab- 
grenzung der dem König übertragenen staatlichen Funktionen erschwert. 
Der Krieg und die auswärtige Politik wurden zu dem Gebiet des „fürst- 
lichen Privatrechts“ gerechnet, nur der Rechtsschutz wurde als staatliche 
Pflicht des Königs anerkannt (S. 58). Aber auch die zu seiner Verwirk- 
lichung erforderlichen Kosten sollten, soweit als irgend möglich, aus dem 
Privatgute des Königs bestritten werden. Jede Forderung an die Unter- 
thanen, jede Steuer wurde von den Ständen als „Erpressung“ aufgefasst, so 
dass die für ihre Gesetzmässigkeit durch die Magna Charta vorgeschriebene 
Bewilligung durch das Parlament fast durchweg erst nach heftigen Kämpfen 
ausgesprochen wurde. — Alle diese Fragen werden von MATHEUS PARISIENSIS 
weder prinzipiell untersucht noch in origineller Weise entschieden: er ver- 
tritt, wie Pl. wiederholt hervorhebt, durchgängig die typischen Anschauungen 
der Stände (S. 47, 80, 81), ohne sie auf ihre staatsrechtliche Gültigkeit und 
politische Zweckmässigkeit zu untersuchen. Daher bedarf es keiner beson- 
deren Darstellung seiner Ansichten innerhalb dieser Zeitschrift. Die genauere 
Würdigung der mit Sachkenntnis und Klarheit geschriebenen Schrift kann 
vielmehr dem „Historiker von Fach“ überlassen werden. 
Halle a. S. M. Liepmann.
	        
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