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Arndt, Können Rechte der Agnaten aufdie Thronfolge nur durch
Staats-Gesetz geändert werden? Berlin, O. Häring, 1900.
488. M.1.-—.
Der richtigen Erkenntnis folgend, dass es Aufgabe der Rechtswissen-
schaft ist, Rechtsfragen nur nach Rechtsgrundsätzen zu lösen, hat sich der
Verf, die Aufgabe gestellt, das Thronfolgerecht der Agnaten einer juristi-
schen Analyse zu unterziehen. Er will jedoch nicht den ganzen Komplex
von Rechtssätzen erörtern, die sich auf die agnatische Thronfolge beziehen,
sondern nur die eine Spezialfrage untersuchen, ob in Deutschland das Recht
der Agnaten auf den Thron ohne deren Zustimmung geändert werden darf.
— Zunächst giebt der Verf. ein sehr gründlich und objektiv gehaltenes Bild
über den gegenwärtigen Stand der Literatur. Die Mehrzahl der staatsrecht-
lichen Schriftsteller, allen voran Moar, HeLp, v. S£vpeL, HÄnEL und GEORG
MEYER, bejahen die vom Verf. aufgeworfene Frage mit der Begründung,
dass es dem Staate gegenüber keine unentziehbaren Rechte gebe. Nur eine
kleine Minorität hält an der Unentziehbarkeit des Thronfolgerechts fest; sie
wird vertreten von O. MEJER, BESELER und GERBER, von denen insbesonders
der letztgenannte betont, dass die moderne Entwicklung des Staatsbegriffes
nur Abänderung, nicht Aufhebung der aus älterer Zeit stammenden Rechte
fordere. Neuestens wurde diese Ansicht, wenn auch mit teilweise anderen
Argumenten, vertheidigt von KEKULE von STRADONITZ im 14. Bande dieser
Zeitschrift S. 7ff. Nach dieser literarischen Uebersicht bespricht der Verf.
die in den einzelnen deutschen Monarchien erfolgten Aenderungen in der
Thronfolgeordnung. Mit vollem Recht weist er nach, dass dort, wo das
Thronfolgerecht einem Agnaten entzogen wurde, dies bisher nur mit dessen
Zustimmung geschah. Sachsen-Koburg-Gotha ist dafür ein klassisches Bei-
spiel. Auch Preussen wird vom Verf. herangezogen, der auf die fehl-
geschlagenen Versuche hinweist, dem nachmaligen Kaiser Wilhelm I. die ihm
verfassungsmässig zukommende Regentschaft zu entziehen. Nach einer für
jede deutsche Monarchie gesondert gegebenen Darstellung der einschlägigen
hausgesetzlichen und Verfassungsbestimmungen kommt der Verf. auf Grund
einer sehr umständlichen Beweisführung zu folgendem Ergebnisse: Enthält die
Verfassungsurkunde keine Vorschrift über die Thronfolge, dann ist zur Aen-
derung der letzteren nur eine Aenderung des Hausgesetzes unter Zustimmung
des thronfolgeberechtigten Agnaten erforderlich. Ist aber die Thronfolge-
ordnung durch Verfassungsgesetz geregelt, dann sind zwei Möglichkeiten
geboten. Nach der Verfassung kann nämlich die Aenderung der Thronfolge-
ordnung ausdrücklich zu den Kompetenzobjekten des Landtages zählen; in
diesem Falle ist nach Ansicht des Verf. sowohl eine Aenderung des Haus-
gesetzes als auch eine solche der Verfassung nötig. Enthält aber die Ver-
fassung zwar Bestimmungen über die Thronfolge, jedoch keine ausdrückliche
Vorschrift darüber, dass die Thronfolgeänderung in die Kompetenz des
Landtages falle, so genügt die Aenderung des Hausgesetzes allein, soferne