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hoffen, dass er daraus Veranlassung nimmt, das Verfassungsrecht der preussi-
schen Städte in seiner lehrreichen Art systematisch darzustellen. Es würde
das allseitig begrüsst werden. Dr. v. Strauss und Torney,
Oberverwaltungsgerichtsrath.
Dr. Geert Seelig, Die geschichtliche Entwicklung der Hamburgi-
schen Bürgerschaft und die hamburgischen Notabeln.
Hamburg, Lucas Gräfe & Sillem, 1900. VIII u. 2448. M. 7.—.
Wie in Lübeck und Bremen, so ist auch in Hamburg die sogenannte
Bürgerschaft nicht die Gesamtheit der Bürger, sondern eine durch Wahl
hervorgegangene Kammer, der u. a. die Funktionen eines Landtages zu-
kommen. In Hamburg besteht nach der geltenden Verfassung die Bürger-
schaft aus 160 Abgeordneten, die in der Weise berufen werden, dass 80 auf
Grund des allgemeinen und gleichen Wahlrechts, 40 von den Eigentümern
von Grundstücken und weitere 40 von denjenigen Hamburger Staatsbürgern
gewählt werden, die Richter, Handelsrichter, Mitglieder der Verwaltungs-
behörde oder der Handels- und Gewerbekammer sind oder gewesen sind.
Für die letzte Gruppe von Wahlberechtigten hat sich in Hamburg die Be-
zeichnung „Notable* eingebürgert. Nun wird die Wahlberechtigung in der
einen Klasse nicht ausgeschlossen durch die gleichzeitige Wahlberechtigung
in einer anderen Klasse, so dass eine und dieselbe Person gleichzeitig in
zwei oder auch in sämtlichen drei Klassen wahlberechtigt sein kann.
Dieses komplizierte System eines kumulativen Wahlrechts auf seine geschicht-
liche Entwicklung zu prüfen, hat der Verf. sich zur Aufgabe gestellt. Sein
Buch zerfällt, abgesehen von einer kurzen Einleitung, in der er den gegen-
wärtigen Rechtszustand schildert, in zwei Abteilungen. Die erste, weitaus
die grösste (S. 15—179), ist einer rein historischen Darstellung gewidmet.
Auf Grund eines sehr sorgfältig gesammelten Materiales weist der Verf.
nach, dass die ersten Keime für die Bürgerschaft in der Versammlung der
Kirchengeschworenen zu finden sind, denen bereits vor 1350 in den wichtigsten
Staatsangelegenheiten ein Bestätigungsrecht zukam. Bis 1410 bestand dieses
bloss gewohnheitsrechtlich; in diesem Jahre erhielt Hamburg seine erste
Verfassungsurkunde, Recess genannt. Von da ab beruhte das Bestätigungs-
recht der Kirchengeschworenen auf einer Vorschrift der Verfassung. Dem
Recess von 1410 folgen zwei weitere von 1458 und 1483, welche Bestim-
mungen enthalten über die neben den Rat einzuberufende Bürgerversamm-
lung, über die Freiheiten der Stadt, endlich über den Krieg. Eine wesent-
liche Erweiterung ihrer Kompetenz erfuhr die noch immer vornehmlich aus
den Kirchspielen hervorgegangene Bürgerschaft durch den sogenannten
langen Rezess (1529), der den Rat unter die Kontrole der Bürgerschaft
stellte. Seit 1663 beginnen die grossen Unruhen; fünfmal muss der kaiserl.
Archiv für öffentliches Recht. XV. 4. 40