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die staatliche Rechtsentwickelung behandelt. Dabei hat sich Verf. nicht auf
die gedruckten Quellen beschränkt, sondern sich bemüht, das territoriale
Quellenmaterial in möglichst weitem Umfange durch Archivforschungen aus-
zunutzen. Verf. beginnt mit einer Darstellung der Hauptzüge der äusseren
Entwickelung des Instituts seit dem 16. Jahrh. und giebt sodann eine ein-
gehende dogmatische Darstellung des katholischen Patronatrechts, in welcher
zunächst bei jedem Punkte die gemeinrechtlichen Grundsätze erörtert und
sodann im Anschluss daran die besondere Gestaltung dargestellt wird, welche
die Rechtsentwickelung in Oesterreich demselben hat zu Theil werden lassen.
Dabei verdient die überaus sorgfältige und gründliche Weise, mit welcher
Verf. durchweg zu Werke gegangen ist, die vollste Anerkennung. Auf
Grund seiner Untersuchungen kommt Verf. zu der Ueberzeugung, dass die
auf den Kirchenpatronat in Oesterreich bezüglichen materiellen Rechtsnormen
theils unzulänglich und veraltet, theils dem Geiste des Instituts nicht ent-
sprechend sind und dass demgemäss das Österreichische Patronatrecht einer
umfassenden und zweckmässigen Regelung bedarf. Im Anschluss daran wird
die Frage erörtert, ob diese Regelung etwa in einer Aufhebung des Kirchen-
patronats zu bestehen habe. Wenn auch Verf. die absolute Nothwendigkeit
einer Aufhebung nicht anerkennen kann, so steht er doch derselben keines-
wegs feindlich gegenüber, vertritt aber den Standpunkt, dass eine einseitige,
obligatorische Aufhebung des Patronats durch die Staatsgewalt einen doppelten
Eingriff, sowohl in die Rechtssphäre einer staatlich anerkannten Religions-
gesellschaft, als auch in jene einzelner Staatsbürger darstellen würde. Viel-
mehr sei eine allgemeine Aufhebung nur im Einvernehmen des Staates mit
der Kirche und den Privatbetheiligten herbeizuführen. Mehr zu empfehlen,
weil leichter zu verwirklichen, sei es aber, wenn der Staat unter Verzicht
auf die Allgemeinheit der Reform die Aufhebung des Patronats in jedem
einzelnen Falle dem freien Uebereinkommen zwischen Kirchenoberen und
Patron überlasse und seinerseits nur die Bedingungen normire, unter denen
er jenes Uebereinkommen für den staatlichen Bereich als rechtsgültig an-
erkennt. Um der Gemeinde aber die ihr aus der Aufhebung des Patronats
erwachsende Kirchenbaulast weniger fühlbar zu machen, schlägt Verf. vor,
bei Zeiten für genügende Deckung zu sorgen durch Gründung eines etwa
„Gemeinde-Kirchenbaukasse“ zu nennenden Fonds, zu welchem die einzelnen
Mitglieder der Kirchengemeinde fortlaufend möglichst niedrig anzusetzende
Beiträge zu leisten hätten. Frantz.
Dr. jur. et Lic. theol. Karl Rieker, a. o. Professor an der Universität Leip-
zig, Grundsätze reformirter Kirchenverfassung. Leipzig,
C. L. Hirschfeld, 1899. VIII u. 298 S.
Die leitenden Gedanken für dieses Buch hat der Verf. bereits in dem
Aufsatz niedergelegt, den er in der Historischen Vierteljahrsschrift von 1898