Full text: Archiv für öffentliches Recht.Sechzehnter Band. (16)

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Grundsatz; denn der Patriotismus findet selten seine Befriedigung in streng 
wissenschaftlichen juristischen Untersuchungen, und diese werden wieder 
ihrerseits nicht gefördert durch patriotische Reden. Rechtswissenschaft und 
Politik sollen fein säuberlich auseinandergehalten werden; denn sonst wird 
ein verschwommenes Bild geboten, in dem in der Regel die juristische Dar- 
stellung, die Klarheit, Unbefangenheit und rücksichtslosen Freimuth verlangt, 
zu kurz kommt, 
Nur der Vermengung von juristischer und politischer Betrachtungs- 
weise ist es zuzuschreiben, wenn GEFFCKEN im Deutschen Reiche eine Olig- 
archie sieht (8. 17), Für den Juristen kann die Verfassungsform eines 
Staates nur entweder monarchisch oder republikanisch sein, je nachdem die 
Sanktion der Gesetze durch Einen allein oder durch ein Kollegium erfolgt. 
Juristisch betrachtet ist das Deutsche Reich eine Republik. 
Wenn GerFFCcKEN auf S. 46 vom „Erben“ des preussischen Thrones 
spricht, wenn er auf S. 72 lehrt „die Wahl des Deutschen Reichstages sei 
ein Herrscher-, ein Regierungsakt der die Körperschaft der Reichsbürger 
bildenden Wahlberechtigten“, wenn er weiter auf S. 45 sagt „des Kaisers 
Gewalt sei von keiner menschlichen Macht, sondern allein von Gottes 
Gnaden abhängig“, so mag an diesen Worten vielleicht das patriotische 
Herz seine Freude finden; der juristische Verstand vermag dies nicht. 
Die Aufgabe der Kritik ist vorwiegend eine negative; sie soll die 
Mängel aufdecken. Es wäre aber unbillig, wollte ich schliessen ohne ein 
Wort der Anerkennung. GEFFCKEN hat es verstanden, den gewaltigen Stoff 
auf einem engen Raum in geradezu vollendeter Darstellung dem Leser vor 
Augen zu führen, dabei seinen Standpunkt stets kräftig betonend. Wenn 
er dann manchmal daneben haut, thut er dies freilich auch kräftig. 
Innsbruck. Max Kulisch. 
W. Kaufmann, Die Rechtskraft des internationalen Rechts und das Ver- 
hältniss der Staatsgesetzgebungen und der Staatsorgane zu demselben. 
Stuttgart, Ferd. Enke, 1899. VIII u. 126 S. gr. 8°. M. 4.—. 
Ein gehaltvolles, aber darum auch recht schweres Buch. Es geht auf's 
Ziel los, den Nachweis zu liefern, dass die internationale Gemeinschaft die 
Quelle ist für die rechtsverbindliche Kraft des internationalen Rechts. Das 
ist schon oft und vielleicht auch schon in fasslicherer Darstellung gesagt und 
bewiesen worden. KAUFMANN geht über diese, wenn ich so sagen darf, 
Errungenschaftsgemeinschaft der bisherigen Dogmatik hinaus und stellt den 
Ausbau der These her durch den Gedanken, dass nicht bloss Staaten 
heute in berechtigenden und verpflichtenden wechselseitigen Beziehungen 
stehen, sondern „die internationalen objektiven Rechtsordnungen regeln auch 
Rechte und Pflichten der verschiedenen Staaten unterthanen Individuen zu
	        
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