Full text: Archiv für öffentliches Recht.Sechzehnter Band. (16)

— 156 — 
locken lassen. Er legt diesen wie einzelstaatlichen Behörden und Organen 
unmittelbar selbständige Rechtspflichten auf aus „staatsverträglich ge- 
setztem internationalem Recht“. Das halte ich aus Gründen, die ich hier 
zu wiederholen oder näher zu entwickeln leider mir versagen muss, für eben- 
so unrichtig, wie ich es’ für durchaus richtig halte, dass KAUFMANN die 
Begründung von subjektiven Rechten der Individuen kraft Völkerrechts, wenn 
auch in verschiedenen Abstufungen, für thatsächlich vorhanden annimmt. 
Der Grund meiner Zustimmung wie meines Widerspruches ist immer der 
gleiche, der sich dem Kaurmann’schen Prinzip entgegenstellt: die Staats- 
angehörigkeit der Individuen, bezw. der einzel- oder mehrstaatliche Charakter 
jener internationalen Organisationen bildet den nothwendigen Durchgangs- 
punkt, den diese wie jene erreicht haben müssen, um in das Licht völker- 
rechtlicher Betrachtung und völkerrechtlicher Persönlichkeit gelangen zu 
können. Hier liegt ein dogmatischer Dissenspunkt vor, der wohl erst in 
der Revisionsinstanz der monographischen Untersuchung seine endgültige 
Lösung oder Aufhellung finden kann. — Vorläufig anerkenne ich willig, dass 
KAUFMANN zur Fundirung seiner Thesen sich sehr umsichtig positivrecht- 
liches Quellen- und Judikatenmaterial aus der Gesetzgebung und Recht- 
sprechung aller Kulturstaaten zu sichern bemüht war; er vermeidet es grund- 
sätzlich den Boden des positiven Rechts unter den Füssen zu verlieren. Er 
sucht sich auch nicht an eine Schulautorität zu klammern, sondern erkennt die 
Pflicht selbständiger Beweisführung in vollem Umfange an. KAurMmAann hat 
darum in seinen Ausführungen über die Bildung und „Inwirksamkeitsetzung“, 
sowie über die Rechtskraft internationaler Rechtsordnung mittelst einer in 
unserer fachlichen Litteratur bisher wenig angewandten methodischen Her- 
anziehung namentlich des amerikanischen Reports, einen wichtigen Beitrag zur 
Lehre von der überstaatlichen Norm, vom Staatsvertrage, seiner Eingehung, 
Geltung und Wiederaufbebung geliefert, der der Klarstellung des komplizirten 
Problems von dauerndem Nutzen sein wird. Kaurmann’s Schreibweise fordert 
den Einsatz intensiven Nachdenkens und willigen Eingehens auf die Intentionen 
des Verfassers. Das ist nicht Jedermanns Sache; wer aber den Einsatz leistet, 
kann auf reichen Gewinn zählen. Das wird freilich nicht hindern, dass 
namentlich die in französischer und englischer Sprache erscheinenden Werke 
unseres Fachs mehr als ein Menschenalter werden vorüberziehen lassen, 
bevor sie aus den grundlegenden Studien Kaurnann’s den sich darbietenden 
reichen Nutzen ziehen werden. Stoerk. 
Staatslexikon. Herausgegeben im Auftrage der Görres-Gesellschaft zur 
Pflege der Wissenschaft im katholischen Deutschland durch Anorr 
BRUDER, nach dessen Tode fortgesetzt durch JuLtus BacHEMm, Rechts-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.