— 164 —
dung im Einzelfalle überlassen. Hiernach bleiben auch unter
der Herrschaft des einheitlichen Reichsrechtes der Rechtswissen-
schaft die Entscheidungen vorbehalten, welche seither in den
streitigen Grenzgebieten mangels einwandsfreier Regelung über
die formelle Geltendmachung bestimmter Ansprüche zu fällen
waren. Sind damit gewisse die Autorität des Staates und das
Ansehen der Rechtswissenschaft schädigende Nachteile nicht er-
spart, so kann doch andererseits der Gesetzgebung ein beson-
derer Tadel wohl nur insoweit ausgesprochen werden, als es
gänzlich abgelehnt wurde, durch Regelung streitiger Grenzgebiete
dem Ideale der Lösung des Problems schrittweise näher zu
kommen. Wir glauben, dass dieser Tadel, der sich hinsichtlich
der Ansprüche und Haftverbindlichkeit der Beamten vielleicht
als begründet erweist, bei dem nach seiner bisherigen Stellung
als streitiges Grenzgebiet zu beurteilenden Vormundschaftsrecht
nicht wohl zu rechtfertigen ist. Die neue positive Regelung des
B. G.-B., an Klarheit der einschneidendsten Konsequenzen nicht
vergleichbar mit der bunten Schattierung des alten Rechts-
zustandes der Vormundschaft, enthält eine grosse Anzahl von
Bestimmungen, welche einen sicheren Schluss auf die Rechts-
natur dieser vormundschaftlichen Vorschriften gestatten. Wenn
hierzu der Gesetzgeber zunächst unbekümmert um die theore-
tische Antastbarkeit seines Ideenganges und ohne Definition des
auch in der Wissenschaft nicht gänzlich feststehenden Begriffes
des öffentlichen Rechtes von letzterem spricht und seinem Willen
zwingenden Ausdruck verleiht, so müssen wir überall da, wo
Zweifel in der Uebereinstimmung des Wortlautes und der Ab-
sicht nicht obwalten können, öffentliches Recht im Sinne des
B. G.-B. annehmen. Den Nachweis dieser Rechtsqualität für
das neue Vormundschaftsrecht zu erbringen, ist der Zweck dieser
Abhandlung.
Wir beginnen mit der Stellung dieser Rechtsmaterie zu den
Ergebnissen bekannter Theorien des öffentlichen Rechtes und der