— 1837 —
Wie die sozialpolitische Gesetzgebung den Einzelnen nicht
als Privatperson, sondern als Glied der Gesamtheit erfasst, so
ist auch das neue Vormundschaftsrecht eine nationale Wohl-
fahrtseinrichtung, welche die Rechtsgefahren der nicht vorhan-
denen oder unvollkommenen Handlungsfähigkeit kraft staatlicher
Machtäusserung beseitigt,auch in wirtschaftlicher Hinsicht bei Ver-
sagung des Trägers der Fürsorgepflicht zur Aufrechterhaltung
des Rechtsgenusses und zur Vermittelung wirtschaftlicher Unter-
stützung einschreitet. In letzterer Hinsicht sind die Vorteile
von besonderer Bedeutung, die sich aus der auch jetzt noch zu-
gelassenen Personalunion zwischen Vormundschafts- und Kommu-.
nalbehörde ergeben®®. Hier können besondere Verwaltungseinrich-
tungen den Schutz der Arbeiterfürsorge in jeder Hinsicht übertreffen,
da die Vormundschaft als staatliche Institution, einem der Ideale
sozialer Auffassung entsprechend, den denkbar intensivsten Er-
satz für das durch den Tod verlorene oder durch verweigerte
Pflichterfüllung geschädigte Familienband zu bieten vermag. Der
das Verhältnis der Vormundschaft beherrschende Staatszweck
kam auch schon in manchen Rechtsgebieten des alten Rechts
durch die Mitwirkungspflicht der Staatsanwaltschaft zum Aus-
druck, wie er andererseits in den internationalen Beziehungen °®
des Reichs trotz seitheriger landesrechtlicher Autonomie durch
die vertragsmässig hervorgerufene Bestellung ‘der Konsuln als
Vormünder deutscher Staatsangehöriger im Ausland aner-
kannt war. Wenn trotzdem die frühere Theorie im privaten
und öffentlichen Recht das Vormundschaftsrecht nach vorherr-
schender Ansicht dem Privatrecht zuwies, so kann ihre Beweis-
führung für die heutige Rechtslage nicht fortgesetzt werden.
regel auch heute nicht viel hinausgekommen.“ „Erfolge“ lassen sich fast
nicht mehr erzielen.
38 Siehe Wour in diesem Archiv Bd. XI S. 46—83.
8 S, die Freundschaftsverträge des Reichs mit Costa Rica und Bra-
silien Art, 30 und 21 in R.-G.-B. 1877 und 1882 8, 13 und 69,