Full text: Archiv für öffentliches Recht.Sechzehnter Band. (16)

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eines bestimmten Teiles der neuen Kodifikation nur unter dem 
Gesichtspunkte dieser Theorie darf nie so weit gehen, dass Kon- 
struktionen, welche mit dem lebendigen Rechtsbewusstsein der 
Gegenwart keine unmittelbare Fühlung haben, lediglich als Kon- 
sequenzen der Theorie gehalten werden. Man darf auch nie die 
Hochachtung der Parlamentarier vor den Konsequenzen der 
Theorie und ihrer eigenen Anträge zu hoch veranschlagen, das 
einzelne Ornament der schönsten Theorie kann sich gerade im 
neuen Recht als Produkt einer sehr alltäglichen Zufälligkeit im 
parlamentarischen Leben entpuppen. Ist aus der Verletzung 
dieser Gesichtspunkte die Abneigung des Praktikers gegen die 
Theorie gewiss verständlich, so kommt hier seine besondere 
Missachtung vor den Blüten der Theorie im öffentlichen Recht 
einer vorurteilsfreien Auffassung leider nicht entgegen. Immerhin 
muss auch dieser Standpunkt in der Praxis die Hand zur Ver- 
einigung in dem einen folgenden Punkte bieten. 
Die Arbeit der Gesetzgebung ist durch das gegebene Mass 
menschlicher Voraussicht und die unübersehbare Fülle des gegen- 
wärtigen und zukünftigen Lebens in glücklicher Fügung der 
Weltordnung von der Pflicht befreit, das Leben in die starren 
Formen eines absoluten, alles subsumierenden Rechtsgebildes 
einzuzwängen. Fehlen hiernach in tausend Fällen die bestimmten 
oft sehr erwünschten Normen des zur Anwendung kommenden 
Rechtsgebietes, so wird der wohlthätige Einfluss einer Versöhnung 
der streitenden Brüder allseits anerkannt. Allerdings wird dann 
nur von der Theorie die Lösung der von dem Gesetzgeber nicht 
gelösten Frage verlangt. Hoffen wir, dass ihr Versuch anerkannt 
wird, durch Einnahme einer bestimmten Stellung eine klare sich 
nicht in die Ferne verlierende Rechtszeichnung zu bieten und 
damit Anhaltspunkte für eine Grenzregulierung beider Rechte zu 
schaffen. Hoffen wir insbesondere, dass wir in diesem Sinne 
Beiträge zur Feststellung der Grenzlinien der freiwilligen Ge- 
richtsbarkeit, des Privatrechtes und Civilprozesses, der Prozess-
	        
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