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1. Mit LABAND? wird man annehmen müssen, dass die Ge-
sichtspunkte des Art. 9 der preussischen „Grundzüge zu einer
neuen Bundesverfassung“ vom 10. Juni 1866, welche die Fort-
existenz der einzelstaatlichen Armeen als getrennter, von einander
unabhängiger Kontingente voraussetzt und eine Verschmelzung
derselben zu einer einheitlichen Bundesarmee nicht kennt, im
wesentlichen in den Entwurf der Verfassung des Norddeutschen
Bundes® übergegangen sind. Allgemein wird anerkannt, dass
der Grundgedanke dieses Entwurfs die Gestaltung des Nord-
deutschen Bundes zu einem Staatenbau unter preussischer Hege-
monie war*. Damit ergiebt sich von selbst, dass der Bundes-
feldherr des Art. 59 E. ein Attribut des Königs von Preussen war,
dass die Krone Preussen, nicht eine selbständige Centralgewalt,
die Militärhoheit — beschränkt durch die kontingentsherrlichen
Rechte der übrigen Einzelstaaten — erhalten, insbesondere dass
die Souveränetätsrechte des Hohenzollernkönigs über das preus-
sische Heer durch Abschluss eines Norddeutschen Bundes nicht
berührt werden sollten. Die militärische Einheit war durch die
Befugnisse des Königs von Preussen über die ausserpreussischen
Streitkräfte, welche der Verfassungsentwurf schuf und Militär-
konventionen durch Einschluss der kleinstaatlichen Kontingente
in das preussische Heer erweitern sollten, genügend gesichert.
Einer besonderen Behandlung bedurfte nur das sächsische Armee-
korps; auch bezüglich desselben boten Verfassungsentwurf und
Militärkonvention die nötigen Grundlagen für die Einheitlichkeit.
Nur muss hier bemerkt werden, dass in dem Staatenbunde des
Verfassungsentwurfs nicht eine Oentralgewalt, sondern die Krone
Preussen als solche die verfassungs- und vertragsmässige Militär-
hoheit in Sachsen und den Kleinstaaten ausgeübt haben würde.
:A.a. 0.S. 482f.
® Nicht in diese selbst, wie LABAND meint.
* LaBann, Deutsche Juristenzeitung 1901 S. 1.
° H. v. SyBEL im konstituierenden Reichstag Sten. Ber. S. 325ff,