Full text: Archiv für öffentliches Recht.Sechzehnter Band. (16)

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nicht genügend berücksichtigt. Dass der Art. 59 E, unverändert 
als Art. 63 aufgenommen wurde, war zwar richtig; allein in den 
praktischen Folgerungen wurde übersehen, dass diese Bestimmung 
eine ganz andere Bedeutung erhalten hatte. Die kriegsherrlichen 
Rechte standen nunmehr nicht dem König von Preussen, sondern 
dem von ihm jetzt rechtlich getrennten Bundesfeldherrn, sit venia 
verbo: dem geheimen Kaiser zu. Nicht der Einzelstaat Preussen 
übte Hoheitsrechte in Sachsen aus, sondern der Norddeutsche 
Bund durch eines seiner Exekutivorgane. Auch in Preussen 
selbst war kraft des Art. 63 B.-V. die Kriegsherrlichkeit von 
der Krone als Träger der preussischen Souveränetät, welch 
letztere ja jetzt überhaupt beschränkt war, auf den Bundesfeld- 
herrn, also vom Einzelstaate auf den Norddeutschen Bund über- 
gegangen. Ob dies die gesetzgebenden Faktoren gewünscht haben 
oder ob sie einen Vorbehalt im Auge hatten’, ist bei dem un- 
zweideutigen Wortlaut und Sinn des XI. Abschnittes der Bundes- 
verfassung einerlei; denn „die Gedanken des Gesetzgebers, denen 
er nicht den erforderlichen Ausdruck giebt, sind ohne rechtliche 
Bedeutung“®®). Da die Verfassung dem Bund in seinen verschie- 
denen Organen den Oberbefehl, die Gesetzgebung und die Ver- 
waltung des Heerwesens übertrug, so hätten zur Durchführung 
dieser Aufgaben, soweit nicht bereits geschehen, Bundesbehörden 
* Dies meint Fıscher, Das Recht des deutschen Kaisers 1895 S. 34, 85. 
® Lasanp, Deutsche Juristenzeitung 1900 8. 51l. 
® Dies übersieht auch FiscHEr a. a. O. 8. 33ft., 7öff., der den Bundes- 
feldherrn zum Attribut des Königs von Preussen stempelt, während er die 
Rechte des Bundesoberhaupts unter den „Sammelbegriff des Bundespräsidiums 
als eines blossen Organs der Bundesgewalt* fallen lässt. Infolgedessen 
kommt er zu dem seltsamen Ergebnis: „die kaiserlichen Rechte bezüglich des 
Heer- und Marinewesens sind nichts als Erweiterungen der Kriegsherrlich- 
keit des Königs von Preussen und stehen dem Kaiser proprio iure, somit 
als monarchische Befugnisse und nicht kraft Delegation zu.“ Also trotz der 
angeblichen preussischen Kriegsberrlichkeit kaiserliche ‘Rechte, die „der 
Kaiser kraft eigenen Rechts“ als „ihm zustehende Teile der Oentralgewalt“ 
ausüben soll! S. dagegen FıscHEr a. a. O. S. 41, 79.
	        
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