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damals in Frage. Noch wusste man nicht einmal, ob Bayern
jetzt überhaupt unter annehmbaren Bedingungen in den Bund
eintreten würde; es erforderte noch grosse Nachgiebigkeit der ver-
handelnden Regierungen und heftige Kämpfe in den Volksvertre-
tungen, bis Bayern sich dem Reiche anschloss und dazu noch
unter Vorbehalt von Sonderrechten, welche ernsten Patrioten da-
mals bedenklich erschienen. Gerade in jenen Tagen ereignete
sich der seltsame Rückschlag in den fast zum glücklichen Ende
geführten Verhandlungen mit Württemberg?”. Noch war die
Kaiserfrage unentschieden. Wohl aber wirkte BismArcK bei dem
ausschlaggebenden Schritte gerade mit der Argumentation, dass
die deutschen Souveräne sich nicht dem König von Preussen,
also dem gleichberechtigten Monarchen des verbündeten Staates,
sondern allein dem Deutschen Kaiser, dem Landsmann, dem Ver-
treter der Reichsgewalt, unterstellen könnten?®. In diesem kri-
tischen Zeitpunkte ging Baden wieder voran. Um auf die Fas-
sung der ausstehenden Bündnisverträge und die mögliche, aber
sehr ungewisse Umwandelung der mittelstaatlichen Kontingente
in das kaiserliche Heer günstig einzuwirken, that Baden einen
noch weitergehenden Schritt: es trat seine Militärhoheitsrechte
für den Fall, dass das Reichsheer nicht zu stande kommen sollte,
an Preussen ab. Dies ist der Sinn des Wortes „beziehungs-
weise“; es heisst nicht mehr als: „eventuell“. Die Absicht ist
klar: Die Gefahr einer Verstärkung des preussisch-partikularisti-
schen Gewichts musste ein Anreiz für die Mittelstaaten sein,
durch Ermöglichung des kaiserlichen Heeres und damit durch
Erhaltung der relativen Selbständigkeit Badens innerhalb desselben
den Einfluss Süddeutschlands in Heeresfragen zu vermehren.
Der Schritt unterstützte die Bestrebungen, die preussische Armee
in ein kaiserlich deutsches Heer umzuwandeln, an deren Erfolg
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27 MAURENBRECHER, Die Gründung des Deutschen Reichs S. 252,
2% BIsMARCK, Erinnerungen II S. 118.