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sächsischer Seite gleichfalls nicht mehr zu erwarten. Den
wesentlichsten Grund dieses ungünstigen Verlaufs bildet wohl
die engherzige Politik Bayerns, welche in Ziff. III 8 5 des
Bündnisvertrags vom 23. Nov. 1870 zum Siege gelangte.
Wenn Bayern sich im Frieden volle Militärhoheit vorbehalten
konnte, so durften bei den damaligen Anschauungen und den
noch nicht überwundenen Eifersüchteleien die durch zwei
Menschenalter hindurch auf ihre vermeintliche internationale Be-
deutung so stolzen beiden anderen Königreiche über die Reichs-
verfassung hinaus keine Zugeständnisse machen®®, Als dann
1871 die Reichsverfassung ins Leben trat, blieben denn auch
innerhalb Norddeutschlands die seitherigen thatsächlichen Ver-
hältnisse bestehen. Die süddeutschen Königreiche nahmen ihre
vertragsmässige Stellung ein; das badische Kontingent wurde
der Preussischen Armee einverleibt, gerade wie wenn der Even-
tualfall der Militärkonvention vom 25. Nov. 1870 ein-
getreten wäre. Hessen schloss am 13. Juni 1871 eine Konven-
tion mit „Sr. Maj. dem Deutschen Kaiser, König von Preussen“,
wonach das hessische Kontingent als geschlossene Division in
die Preussische Armee eintrat. In den nächsten Jahren wurden
Militärkonventionen mit den kleineren Staaten teils abgeschlossen
teils abgeändert. Es kann hier die theoretisch immerhin in-
teressante Frage dahingestellt werden, ob das Reich oder
Preussen jeweils die Kontingentsherrlichkeit erworben hat; denn
für das praktische Ziel dieser Studie erledigt sich die Frage mit
der Entscheidung über das weitere Schicksal der preussischen
Kontingentsherrlichkeit selbst. Dagegen bedürfen die reichs-
ländischen Verhältnisse einer kurzen Erörterung. Dass in Elsass-
Lothringen der Kaiser Kontingentsherr ist, wird nicht bestritten °*.
Die im Reichslande neugebildeten Truppenteile sind daher kaiser-
lich, auch wenn sie nicht aus Elsass-Lothringern bestehen; sie
3? Materialien d. R.-V. DIS. 111.
9% T,ABAND a. a. O, S. 487; Fischer a. a, O. S. 76,