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sich der gemeinsamen Helden von Wörth und Sedan, von Strass-
burg und Paris rühmen darf. Wir Badener beanspruchen die
Toten von Mars-la-Tour, Ooulmiers und Champigny als die
Unseren, als Deutsche, und wollen von keinem partikularistischen
Sonderruhm unserer treu-festen Wacht an der Lisaine wissen.
Das deutsche Einheitsgefühl geht sogar über die Verfassung hin-
aus: Der Kaiser erscheint Millionen von Volksgenossen, besonders
im warmherzigen Süden, als der Monarch aller Deutschen. Aber
unser alter erster Kaiser fand sich nur schwer in die neue Zeit.
Er hatte 1870 „noch mehr die Macht und Grösse Preussens als
die verfassungsmässige Einheit Deutschlands im Auge“ *%, Wenn
sein grosser Staatsmann sagt: „Für das dynastische Gefühl war
es schmeichelhafter, gerade als geborener König von Preussen
und nicht als erwählter und durch ein Verfassungsgesetz her-
gestellter Kaiser die betreffende Macht auszuüben“; wenn wir die
von BIiSMARCK mehrfach hervorgehobenen Offiziersanschauungen
des erst in höherem Alter zum Kriegsherrn gewordenen Hohen-
zollernfürsten berücksichtigen und uns an seine Abneigung gegen
das einheitliche Reichsheer von 1849 erinnern, wenn wir bedenken,
dass sein Berater der gleichgesinnte und müde gewordene Kriegs-
minister v. ROON war, so liegt der Gedanke nahe, dass die Auf-
hebung der preussischen Kontingentsherrlichkeit, selbst die äusser-
liche Durchführung der Verfassung, wonach nicht bloss der Ober-
befehl über die ausserpreussischen Truppen, sondern die Kriegs-
herrlichkeit über das preussische Heer selbst dem Kaiser als
solchem zustand, bei der gerade in dieser Beschränkung rühren-
den und ehrwürdigen Persönlichkeit Wilhelms I. im Winter 1870/71
auf unüberwindliche Hindernisse gestossen sein würde”. Vielleicht
wäre trotz des hohen Alters des Monarchen in den späteren
Jahren, in denen er sich ganz in die verfassungsmässige Stellung
des Kaisers eingelebt hatte, ein Versuch erfolgreich gewesen.
*° Bismarck a. a. O. II S. 57.
10a PpıLıppson, Das Leben Kaiser Friedrichs III. S. 257.
Archiv für öffentliches Recht. XVI. 2. 20