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waltungsrechtes in der juristischen Fakultät der Universität
München ernannt.
Es mag auffällig erscheinen, dass der schon lange glänzend
bewährte staatsrechtliche Schriftsteller nicht früher auf einen
akademischen Lehrstuhl des öffentlichen Rechts berufen war.
Allein in dieser Richtung war SEYDEL, wie er schmerzlich er-
fahren musste, seine Stellung zur Bundesstaatsfrage hinderlich,
weniger vielleicht bei den Hochschulen, als vielmehr bei den
Regierungen. Nur eine ausserbayerische Unterrichtsverwaltung
hatte schon vorher eine Ausnahme gemacht, die russische. Be-
reits 1876 erhielt SEYDEL einen Ruf nach Dorpat, der ihn aber
nicht zu locken vermochte. Dagegen benützte der bayerische
Kultusminister — derselbe v. LuTz, welcher SeypEL 1874 als
Hilfsarbeiter in sein Ressort berief — die erste in Bayern sich
ergebende Gelegenheit, um SEYDEL an die Stelle zu setzen, an
die er gehörte, in ein ausschliesslich der Lehre und der wissen-
schaftlichen Forschung gewidmetes Amt. Keineswegs lässt sich
sagen, dass bei dieser Berufung politische Gesichtspunkte aus-
schlaggebend waren. Es ist unter keinen Umständen ausgemacht,
dass das Ministerium Lutz hinsichtlich der Frage der Rechtsnatur
des Deutschen Reiches jemals auf dem Standpunkt der Staaten-
bundstheorie stand. Viel mehr hat die Meinung für sich, dass
der Minister SEYDEL lediglich aus dem Grunde für den freien
Lehrstuhl an der Münchener Hochschule ausersah, weil er
Willens war, ein bayerisches Talent zu ehren und die feste
Ueberzeugung hegte, von SEYDEL als einem Bayern sei, wenn
er Lehrer des bayerischen Staatsrechtes geworden, eine besondere
Pflege des öffentlichen Rechtes seines Heimatlandes zu erwarten.
Und in der That, SEYDEL fasste sofort mit Eintritt in sein
neues Amt auch ein neues litterarisches Arbeitsgebiet ins Auge.
Den Plan, ein gross angelegtes Werk über Reichsstaatsrecht zu
schreiben, den er übrigens nie aufgab, sondern noch dereinst
zu verwirklichen hofite, stellte er vorerst zurück. Für vordring-