— 370 —
licher schien ihm für Bayern, nachdem das daselbst geltende
Reichsrecht in LaBAnD’s hervorragendem Handbuch eine vorzüg-
liche Bearbeitung fand, eine umfassende systematische Darstellung
des bayerischen Partikularrechtes. Und so war er rasch ent-
schlossen, ein erschöpfendes System des bayerischen Landes-
staatsrechts in Angriff zu nehmen. Was ihm den Entschluss
erleichterte, war das Entgegenkommen der bayerischen Regierung.
Selbst zu den ausgezeichnetsten Juristen zählend und mit dem
ihm eigenen Weitblick erkennend, dass die Einräumung dem
öffentlichen Leben und der öffentlichen Verwaltung Bayerns nur
zum Vorteil gereichen könne, erteilte Minister v. LUTZ SEYDEL
auf Ansuchen nicht bloss die Erlaubnis zur Benützung der Akten
des Kultusministeriums, sondern, unterdessen zugleich Vorsitzender
im Ministerrat geworden, wusste er ihm auch die gleiche Erlaub-
nis für die übrigen Ressorts und für die namentlich hinsichtlich
der Entstehung der Verfassungsurkunde wichtigen Akten des
Staatsrates zu erwirken. Da v. Lutz überdies als mehrjähriger
Vorgesetzter SEYDEL's dessen politische Denkweise und politisches
Taktgefühl hinreichend kennen gelernt hatte, war diese General-
erlaubnis ohne jede Einschränkung gelassen. SEYDEL konnte
das ihm zugängliche Material, soweit es ihm zur Veröffentlichung
geeignet erschien, völlig frei verwerten. Die Anschauungen, die
er vertrat, sollten nichts anderes, als ausschliesslich seine persön-
liche Ueberzeugung sein. Die wissenschaftliche Unabhängigkeit
war dem Unternehmen somit ausdrücklich gewahrt.
Zuerst arbeitete sich SEYDEL in seine Vorlesungsthätigkeit
ein. Er hatte im Winter bayerisches Staatsrecht, im Sommer
Reichsstaatsrecht und Verwaltungsrecht des Reiches und Bayerns
zu lesen. Er entledigte sich dieser Aufgabe innerhalb eines
halben Jahres. Im Sommersemester 1882 eröffnete SEYDEL seine
Lehrthätigkeit.. Als ihm von da an zunächst keine weitere
Aufgabe mehr blieb, als seine Vorlesungen auf dem Laufenden
zu halten, nahın er im Dezember 1882 das grosse litterarische