Full text: Archiv für öffentliches Recht.Sechzehnter Band. (16)

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bezwingender Sprache. Sie schafft edle, schöne Formen. Das 
ausgeprägte Formgefühl seiner Gedichte erinnert: vielfältig an 
PLATEN, RÜCKERT und GEIBEL. 
Wer SEYDEL persönlich kannte, den zog scheinbar anderes 
an. Und doch war es im Grunde dasselbe. Die klare, einfache 
Schönheit seiner Sprache war lediglich der Ausdruck seines inneren 
Wesens. SEYDEL war ein klarer Charakter. Man wusste, wie 
man an ihm war. Er war gleich stark in der Liebe gegenüber 
dem Liebens-, im Hass gegenüber dem Hassenswerten. Er war 
ein ehrliches, offenes Herz und bei aller Grösse des Geistes, aller 
Tiefe und Weite spezieller und allgemeiner Bildung ein im Umgang 
rührend bescheidener Mann. Dazu kam ein seltenes Mass un- 
bewusster persönlicher Liebenswürdigkeit. Schon in seinen Zügen 
lag Herzensgüte und Sonnenschein; und freundliches Wesen leuchtete 
aus seinen hellen Augen. Erwärmend wirkte seine Nähe. Man 
fühlte sich heimisch in seiner Umgebung. 
Und zu dem allen kam noch ein ganz besonderes Geschenk 
— wir erwähnten es schon oben —, ein treffender, nie verletzender 
Witz. Er machte ihn rasch zum Mittelpunkt der Gesellschaft. 
Wie wusste er auch dadurch den Kreis der trefflichen Männer 
zu fesseln, in dem er — es waren zumeist frühere Kollegen aus 
dem Ministerium des Innern, der feinsinnige Staatsrat v. NEUMAYR 
an der Spitze — in seinen guten Zeiten allabendlich zum Dämmer- 
schoppen zwischen sieben und acht drunten am Platzl in der 
„Leberwurst* erschien! Wie liess er seinem Witze die Züge 
schiessen, wenn wir zur Zeit des Maibocks mittags nach der 
Vorlesung zusammen im „Garten“ des Hofbräuhauses einen Krug 
leerten, oder wenn ihn der Abend hie und da mit Freunden im 
Dirnbräu beim „Ungespundeten“ zusammen führte. 
Und wie im Privatverkehr, so auch auf dem Katheder. 
SEYDEL war ein mit Vorliebe gehörter Lehrer. Zwar sprach 
er nicht frei — davon liess er sich durch sein Gehörleiden ab- 
halten — und das Ablesen erfolgte in überaus raschem Tempo.
	        
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