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des Staatsrechtes nur wenig Anhänger gefunden und auch diese
machen nicht seine weitgehenden Schlussfolgerungen alle mit.
In seiner Auffassung der rechtlichen Natur des Reiches ist es
ihm in noch geringerem Masse gelungen, dauernde Nachfolge zu
finden. Selbst die Kreise, welche zum Teil praktischen Nutzen
daraus zu ziehen vermöchten, haben dies in der Hauptsache
unterlassen. Die verbündeten Regierungen stehen wohl samt
und sonders, gemeinsam mit der Reichsregierung, auf dem Grund-
gedanken, den die Verfassung allein zulässt, auf der Anschauung
der föderativen Organisation des Reiches. Aber keine sieht
darum im Deutschen Reiche einen blossen Staatenbund. Auch
die bayerische Regierung nicht. Erst am 8. Nov. 1899 wieder
hat sie durch den Mund des Vorsitzenden im Ministerrate, Grafen
VON ÜRAILSHEIM, im bayerischen Abgeordnetenhause erklärt, man
möge nicht vergessen, dass wir (Bayern) in einem Bundesstaate
leben.
In einem Punkte aber und zwar in dem weittragendster
Bedeutung hat unser SEYDEL nahezu allseitige Zustimmung ge-
funden, in seinem Nachweis der logischen Unmöglichkeit sach-
licher Teilbarkeit der Souveränität und der hieraus folgenden
Unmöglichkeit der Annahme eines Bundesstaatsbegrifies, wenn
Souveränität wesentliches Staatsmerkmal ist. Bis zu SEYDEL's
Abhandlung über den Bundesstaatsbegriff aus dem Jahre 1872
war die Anschauung die herrschende, dass die völkerrechtliche
Souveränität sachlich teilbar sei. Die Lehre knüpft sich an den
Namen Waıtz, dessen Theorie von der zwar nicht ihrem Inhalt,
aber ihrem sachlichen Umfang nach teilbaren Souveränität in
der Staatsrechtswissenschaft fast ausnahmslos vertreten war.
Dass dies heute nicht mehr der Fall, dass heute die gerade ent-
gegengesetzte Meinung die überwiegende ist, das ist das bleibende
und unvergängliche Verdienst SEYDEL’s. Sein Nachweis, dass es
gerade der Inhalt der Souveränität sei, dass sie keinen be-
stimmten Umfang habe, war so klar und scharf formuliert, dass