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Unschätzbar ist daher der Segen, welcher aus SEYDEL’s un-
ermüdlichem Fleiss, staunenswerter Arbeitskraft und unvergleich-
licher Gedankentiefe für Bayerns Wohl sich ergab und noch in
fernen Zeiten ergeben wird. Sofern das Leben irgend eines
Gelehrten wert war, gelebt zu werden, so war es dieses.
Wenn SEYDEL in einem reizenden Lied an Hanna singt:
„Was du hier an Werken schreibst, dicken, hochgelahrten, ist
in dreissig Jahren schon nichts als alte Schwarten. Aber wenn
du fröhlich singst, was dein Herz erfreute, klingt’s in fernen Tagen
noch g’rad so jung wie heute“, so hat er für seine Prosaschriften
nicht recht. Gewiss, SEYDEL’s reizende Lieder werden auch fort-
leben, aber nicht minder seine für Theorie und Praxis gleich
unentbehrlichen Werke.
SEYDEL’s dauernde Verdienste können nicht wärmer und
herzlicher anerkannt werden, als sie sein allergnädigster Herr
in dem Handschreiben anerkannt hat, das dieser schmerz-
lich bewegt; am Tage nach dem Hinscheiden SEYDEL’s an
die tiefgebeugte Witwe richtete: „Mit seinem Heimgang“,
schreibt S. K. H. Prinz Luitpold von Bayern, „verlor die Uni-
versität München eine ihrer glänzendsten Zierden, die deutsche
Wissenschaft einen ihrer ersten Vertreter, das bayerische Land
einen seiner besten Söhne. Unter dem Eindruck dieses schweren
Verlustes stehend, kann ich mir nicht versagen, auch die Ver-
sicherung zum Ausdruck zu bringen, dass ich dem hochverdienten
Gelehrten stets ein dankbares Andenken bewahren werde.“ Ein
treues Andenken werden ihm auch alle Anderen bewahren, die seine
Verdienste zu würdigen wissen, auch seine wissenschaftlichen
Gegner. Unauslöschlich wird die Erinnerung an ihn aber bei seinen
Schülern und Freunden fortleben. „Freunde macht mansich ; einen
Freund findet man“ schrieb der Verstorbene etwa vor Jahresfrist
in der „Jugend“. Wer SeypEL’s Freundschaft fand, dem ward
‚am 23. April d. J. ein Stück seines Innersten genommen!