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I. 1. Das neue Vormundschaftsgericht ist in Beachtung der
historischen Entwickelung Organ der Staatsgewalt, also der poli-
tischen Obrigkeit, die jedoch prinzipiell ihre „Verrichtungen“,
d.h. das gesamte staatliche Gebiet der Obervormundschaft, nicht
nur die entscheidende Thätigkeit, dem Amtsgericht nach $ 35
G. f. G. übertragen hat.
2. Ausnahmen bestehen:
a) bei Einsetzung des Familienrats nach 1858ff., auf den
die staatlichen Funktionen übergehen,
b) nach 189 G. f. G. mit Art. 57,58 E. G. z.B. G.-B. in
Ansehung der Landesherren, der Mitglieder ihrer Familien und
der diesen gleichgestellten Häuser,
c) nach Art. 147 E.-G. z. B. G.-B., wenn das Landesrecht
andere als gerichtliche Behörden für zuständig erklärte. Der
ursprünglich nur für die Nachgerichtsorganisation gedachte Vor-
behalt wurde in der Kommission 2. Lesung°? auch auf die Vor-
mundschaftsgerichte ausgedehnt, da in der Praxis beide Verrich-
tungen sehr oft vereinigt sind.
II. Der gesamte Inhalt der zur Zuständigkeit des Vor-
mundschaftsgerichts überwiesenen Verrichtungen bezieht sich auf:
a) Akte rechtspolizeilicher Natur im Gebiete der eigentlichen
Vormund- und Pflegschaftsverwaltung,
b) richterliche Entscheidungsakte in diesem (rebiete.
c) Akte richterlicher und gemischter Natur bei nicht be-
stehender Vormund- und Pflegschaft hinsichtlich bestimmter per-
sönlicher oder ehegüterrechtlicher Beziehungen der Ehegatten
unter sich,
d) derartige Akte mit Rücksicht auf das öffentlicher Fürsorge
bedürftige Interesse der Kinder im Gebiete des Eltern-
rechtes.
Eine Besprechung aller hierher gehörigen Fälle ist im Rahmen
53 Prot. 8. 8938—8944, 8949, 8950.