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gehen eben die Meinungen völlig auseinander — kurz, in diesen Widerstreit
einerseits und die fröhliche, emsige Arbeit andererseits mit einem neuen
Strafgesetz dreinfahren zu wollen, wäre vielleicht unmöglich, sicher aber im
höchsten Grade unklug. In einiger Zeit wird Klarheit und Grundlage für
ein neues Gesetz in modernem Sinne geschaffen sein, freilich tauchen dann
wieder andere Fragen auf, aber so gährend und schaffend und suchend wie
jetzt war es noch nie, so wird es später auch nicht sein. Nie aber wäre
ein Erstarren und Festwerden der Praxis gefährlicher als eben jetzt, nie ist
der Satz schädlicher: „Hat es die oberste Stelle fünfmal so gemacht, so
machen wir es auch ein sechstesmal so, und so werden wir es immer
machen, wenn der Fall auch nur äusserlich und ungefähr passt.“ — Hiemit
soll aber der Wert des grossartigen Werkes STENGLEIN’s nicht angegriffen
sein, es soll nur nicht dem Richter beim Rechtsprechen, sondern dem
Richter und jedem Kriminalisten beim Studium dienen. Nichts ist an-
regender, belehrender und erweiternder als das Studium praktischer Fälle
mit ausgezeichneten Entscheidungen ; nichts wahrt die Theorie so sehr vor
wertlosen Grübeleien, nichts zeigt das Leben so deutlich, nichts hebt die
Fehler und Lücken im Gesetze so schroff hervor, nichts ermöglicht selb-
ständiges, förderndes Denken so lebhaft, als dieses Studium, und wer das-
selbe erleichtert, vielleicht vielen erst ermöglicht, der hat den Juristen und
ihrer Wissenschaft eine Wohlthat erwiesen; STENGLEIN sagt, sein Buch sei
aus der Praxis für die Praxis bestimmt — wahren Segen wird es bringen,
wenn es dient: aus der Praxis für die Theorie.
Hanns Gross.
Dr. Josef Hollweck, Professor des kanonischen Rechts und der Kirchen-
geschichte am bischöflichen Lyceum in Eichstätt, Die kirchlichen
Strafgesetze. Mainz, Franz Kirchheim, 1899. XLI u. 386 S.
Das Buch beabsichtigt, zugleich der Wissenschaft des kanonischen
Strafrechts zu dienen und „für die Anwendung des Strafrechts den Männern
der kirchlichen Praxis das Wünschenswerte zu bieten“. Zu dem Ende wird
der Stoff „nach Art der modernen Gesetzbücher“ in kurze Paragraphen
verarbeitet, deren Zusammenstellung ein Seitenstück zu unserem Reichsstraf-
gesetzbuch bildet. Auch dessen Ausdrucksweise wird vielfach nachgeahmt.
Dann folgt ein ausführlicher Kommentar zu dem also gewonnenen kirch-
lichen Strafgesetzbuch, der zum Vergleich mit OPPENHOFF, ÜLSHAUSEN U. 8. w.
einlädt.
Verf. verwahrt sich mit Recht gegen Bemerkungen, deren Urheber
„weder den Standpunkt der Kirche noch den des katholischen Theologen
zu würdigen wissen“. Ein richtiges Verständnis des Buches ist in der That
nur unter diesem Gesichtspunkte möglich. Das zeigt sich gleich in der Ab-