Full text: Archiv für öffentliches Recht.Sechzehnter Band. (16)

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gehen eben die Meinungen völlig auseinander — kurz, in diesen Widerstreit 
einerseits und die fröhliche, emsige Arbeit andererseits mit einem neuen 
Strafgesetz dreinfahren zu wollen, wäre vielleicht unmöglich, sicher aber im 
höchsten Grade unklug. In einiger Zeit wird Klarheit und Grundlage für 
ein neues Gesetz in modernem Sinne geschaffen sein, freilich tauchen dann 
wieder andere Fragen auf, aber so gährend und schaffend und suchend wie 
jetzt war es noch nie, so wird es später auch nicht sein. Nie aber wäre 
ein Erstarren und Festwerden der Praxis gefährlicher als eben jetzt, nie ist 
der Satz schädlicher: „Hat es die oberste Stelle fünfmal so gemacht, so 
machen wir es auch ein sechstesmal so, und so werden wir es immer 
machen, wenn der Fall auch nur äusserlich und ungefähr passt.“ — Hiemit 
soll aber der Wert des grossartigen Werkes STENGLEIN’s nicht angegriffen 
sein, es soll nur nicht dem Richter beim Rechtsprechen, sondern dem 
Richter und jedem Kriminalisten beim Studium dienen. Nichts ist an- 
regender, belehrender und erweiternder als das Studium praktischer Fälle 
mit ausgezeichneten Entscheidungen ; nichts wahrt die Theorie so sehr vor 
wertlosen Grübeleien, nichts zeigt das Leben so deutlich, nichts hebt die 
Fehler und Lücken im Gesetze so schroff hervor, nichts ermöglicht selb- 
ständiges, förderndes Denken so lebhaft, als dieses Studium, und wer das- 
selbe erleichtert, vielleicht vielen erst ermöglicht, der hat den Juristen und 
ihrer Wissenschaft eine Wohlthat erwiesen; STENGLEIN sagt, sein Buch sei 
aus der Praxis für die Praxis bestimmt — wahren Segen wird es bringen, 
wenn es dient: aus der Praxis für die Theorie. 
Hanns Gross. 
Dr. Josef Hollweck, Professor des kanonischen Rechts und der Kirchen- 
geschichte am bischöflichen Lyceum in Eichstätt, Die kirchlichen 
Strafgesetze. Mainz, Franz Kirchheim, 1899. XLI u. 386 S. 
Das Buch beabsichtigt, zugleich der Wissenschaft des kanonischen 
Strafrechts zu dienen und „für die Anwendung des Strafrechts den Männern 
der kirchlichen Praxis das Wünschenswerte zu bieten“. Zu dem Ende wird 
der Stoff „nach Art der modernen Gesetzbücher“ in kurze Paragraphen 
verarbeitet, deren Zusammenstellung ein Seitenstück zu unserem Reichsstraf- 
gesetzbuch bildet. Auch dessen Ausdrucksweise wird vielfach nachgeahmt. 
Dann folgt ein ausführlicher Kommentar zu dem also gewonnenen kirch- 
lichen Strafgesetzbuch, der zum Vergleich mit OPPENHOFF, ÜLSHAUSEN U. 8. w. 
einlädt. 
Verf. verwahrt sich mit Recht gegen Bemerkungen, deren Urheber 
„weder den Standpunkt der Kirche noch den des katholischen Theologen 
zu würdigen wissen“. Ein richtiges Verständnis des Buches ist in der That 
nur unter diesem Gesichtspunkte möglich. Das zeigt sich gleich in der Ab-
	        
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