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schen Studenten“ und dem „juristischen Praktiker“ dienen. Aber in erster
Linie ist es doch für deutsche evangelische Theologen bestimmt. Wie soll
man für diese Kirchenrecht schreiben ? Die Frage ist nicht so einfach.
Man hat die Lösung schon darin gesucht, dass man sich bemühte, die Sache
so unjuristisch als möglich zu behandeln. Beispiele wären leicht anzuführen.
Im Gegensatze dazu möchte es sich lohnen, die rechtswissenschaftliche Be-
handlungs- und Denkweise hier mit derselben Rücksichtslosigkeit durchzu-
führen, wie wir das an Profangegenständen zu thun gewohnt sind. Ver-
stehen würden das unsere Theologen ganz gut, man darf ihnen in dieser
Beziehung wohl etwas zumuten, und interessieren müsste es sie ausserordent-
lich. Wenn sie sich stossen an der harten Weltlichkeit, die ihnen da ent-
gegen gehalten wird, so würde es leicht sein, sich mit ihnen zu verständigen
auf Grundlage des bekannten Satzes: Recht und Religion passen eben von
Natur nicht zusammen.
Es giebt noch mancherlei Wege, diese Aufgabe mit Erfolg zu lösen.
Auch der vom Verf. eingeschlagene scheint mir ein recht gangbarer zu
sein. Man kann ihn vielleicht kurz dahin kennzeichnen: der Verf. verzichtet
durchaus nicht darauf, Jurist zu sein, aber er sucht den Theologen entgegen-
zukommen und ihnen angenehm zu sein. Damit will ich nicht sagen, dass
eine störende Absichtlichkeit irgenwie zu Tage trete. Es ist nichts Ge-
machtes, der Verf. schreibt nach seiner Art. Aber diese Art hat ent-
schieden eine besondere Geneigtheit, Theologen zu gefallen, ist für sie voll
von captationes benevolentiae.
Dahin rechnen wir vor allem die leichte flüssige Darstellungsweise,
„zuweilen die Mitte haltend zwischen Lehrbuch und Vortrag“, wie der Verf.
in der Vorbemerkung selbst angiebt. Das ist auch für ein juristisches
Publikum nichts übles.. Theologen müssen es aber besonders angenehm
empfinden, wenn die strenge Schwesterwissenschaft in so menschlichem Ge-
wande vor sie hintritt. Dass diese Darstellung nicht belastet wird mit der
Erörterung der schweren juristischen Probleme, die das Kirchenrecht bietet,
ist nur folgerichtig. Der Verf. kennt sie ja und hat seinen Standpunkt. Für
seinen Zweck genügt es, die Ergebnisse zu bieten. Der Theologe braucht
nicht zu merken, wie sauer uns da manches wird. Die Arbeit um die all-
gemeinen Rechtsbegriffe und um ihre geschichtliche Entwicklung ist ihm
minder wichtig. Der gemeinsame Boden mit seinen Interessen findet sich
am ersten im Nachweis der praktischen Brauchbarkeit juristischer Erkennt-
nisse. Diese zu geben ist dem Verf. hauptsächlich angelegen. Sein Buch
hat in hohem Grade die Eigenschaft der „Aktualität“. Eine ganze Reihe
von gerichtlichen Entscheidungen, die in neuerer Zeit Aufsehen erregten,
‘über Beleidigungssachen, Störung des Religionsfriedens, Prozessionen u. dgl.
wird ausführlich behandelt.
Was aber am meisten in die Augen fallen muss, das ist die ausgeprägte
Parteifarbe, die das Buch trägt. Verf. vertritt darin einen sehr streitbaren