Full text: Archiv für öffentliches Recht.Sechzehnter Band. (16)

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schen Studenten“ und dem „juristischen Praktiker“ dienen. Aber in erster 
Linie ist es doch für deutsche evangelische Theologen bestimmt. Wie soll 
man für diese Kirchenrecht schreiben ? Die Frage ist nicht so einfach. 
Man hat die Lösung schon darin gesucht, dass man sich bemühte, die Sache 
so unjuristisch als möglich zu behandeln. Beispiele wären leicht anzuführen. 
Im Gegensatze dazu möchte es sich lohnen, die rechtswissenschaftliche Be- 
handlungs- und Denkweise hier mit derselben Rücksichtslosigkeit durchzu- 
führen, wie wir das an Profangegenständen zu thun gewohnt sind. Ver- 
stehen würden das unsere Theologen ganz gut, man darf ihnen in dieser 
Beziehung wohl etwas zumuten, und interessieren müsste es sie ausserordent- 
lich. Wenn sie sich stossen an der harten Weltlichkeit, die ihnen da ent- 
gegen gehalten wird, so würde es leicht sein, sich mit ihnen zu verständigen 
auf Grundlage des bekannten Satzes: Recht und Religion passen eben von 
Natur nicht zusammen. 
Es giebt noch mancherlei Wege, diese Aufgabe mit Erfolg zu lösen. 
Auch der vom Verf. eingeschlagene scheint mir ein recht gangbarer zu 
sein. Man kann ihn vielleicht kurz dahin kennzeichnen: der Verf. verzichtet 
durchaus nicht darauf, Jurist zu sein, aber er sucht den Theologen entgegen- 
zukommen und ihnen angenehm zu sein. Damit will ich nicht sagen, dass 
eine störende Absichtlichkeit irgenwie zu Tage trete. Es ist nichts Ge- 
machtes, der Verf. schreibt nach seiner Art. Aber diese Art hat ent- 
schieden eine besondere Geneigtheit, Theologen zu gefallen, ist für sie voll 
von captationes benevolentiae. 
Dahin rechnen wir vor allem die leichte flüssige Darstellungsweise, 
„zuweilen die Mitte haltend zwischen Lehrbuch und Vortrag“, wie der Verf. 
in der Vorbemerkung selbst angiebt. Das ist auch für ein juristisches 
Publikum nichts übles.. Theologen müssen es aber besonders angenehm 
empfinden, wenn die strenge Schwesterwissenschaft in so menschlichem Ge- 
wande vor sie hintritt. Dass diese Darstellung nicht belastet wird mit der 
Erörterung der schweren juristischen Probleme, die das Kirchenrecht bietet, 
ist nur folgerichtig. Der Verf. kennt sie ja und hat seinen Standpunkt. Für 
seinen Zweck genügt es, die Ergebnisse zu bieten. Der Theologe braucht 
nicht zu merken, wie sauer uns da manches wird. Die Arbeit um die all- 
gemeinen Rechtsbegriffe und um ihre geschichtliche Entwicklung ist ihm 
minder wichtig. Der gemeinsame Boden mit seinen Interessen findet sich 
am ersten im Nachweis der praktischen Brauchbarkeit juristischer Erkennt- 
nisse. Diese zu geben ist dem Verf. hauptsächlich angelegen. Sein Buch 
hat in hohem Grade die Eigenschaft der „Aktualität“. Eine ganze Reihe 
von gerichtlichen Entscheidungen, die in neuerer Zeit Aufsehen erregten, 
‘über Beleidigungssachen, Störung des Religionsfriedens, Prozessionen u. dgl. 
wird ausführlich behandelt. 
Was aber am meisten in die Augen fallen muss, das ist die ausgeprägte 
Parteifarbe, die das Buch trägt. Verf. vertritt darin einen sehr streitbaren
	        
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