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vorübergehend war und sich mit Erreichung der Volljährigkeit
von selbst verlor. Man gestattete deshalb, dass ein minderjähriger
Sohn dem Vater in der Regierung folgte, und liess während der
Dauer der Minderjährigkeit eine Vertretung durch den nächsten
Agnäten eintreten, ja man stellte später diese Vertretung unter
den Gesichtspunkt der civilrechtlichen Vormundschaft und berief
deshalb nach dem Eindringen des römischen Rechtes auch die
Mutter zur vormundschaftlichen Regierung. Erst viel später
fing man an, auch körperliche und geistige Gebrechen, die in der
Regel unheilbar und deshalb dauernd sein werden, nicht mehr
als Hindernisse zu behandeln, und zwar sah man naturgemäss zu-
erst dann über sie hinweg, wenn sie während bereits bestehender
Regierung eintraten, während man wesentlich länger daran fest-
hielt, dass ein mit ihnen Behafteter nicht zur Herrschaft gelangen
könne, sondern’ in solchem Falle Ausschliessung von der Re-
gierung und Uebergang derselben an den Nächstberechtigten ein-
treten müsse. Auf diesem Standpunkte stehen nicht nur die
Rechtsbücher, sondern noch die Goldene Bulle vom Jahre 1356
bestimmt, dass sowohl wegen Geistesschwäche als auch wegen
aller erheblichen Gebrechen (famosi et notabilis defectus) Aus-
schliessung von der Thronfolge stattfand. Freilich galt diese
Vorschrift unmittelbar nur für die Kurfürsten, aber allgemein hat
man sie auch auf die übrigen Fürsten ausgedehnt (SCHULZE
a. a. OÖ. 8. 228),
Später sah man immer mehr über körperliche Gebrechen
hinweg, und von den heutigen deutschen Verfassungen kennen
nur rioch die württembergische und die Koburg-Gothaische kör-
perliche Mängel als Hinderungsgründe der Thronfolge, falls sie
schon bei deren Eröffnung vorhanden sind. Auch bei uns ist
dies als geltendes Recht anzusehen (RHAMmM, Verfassungsgesetze
S. 67 Anm. 1 ünd 8. 94). Dagegen gilt unheilbare Geistes-
krankheit noch heute nach gemeinem deutschen Staatsrechte als
Grund für die Ausschliessung von’ der Thronfolge, obgleich die