Full text: Archiv für öffentliches Recht.Sechzehnter Band. (16)

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vorübergehend war und sich mit Erreichung der Volljährigkeit 
von selbst verlor. Man gestattete deshalb, dass ein minderjähriger 
Sohn dem Vater in der Regierung folgte, und liess während der 
Dauer der Minderjährigkeit eine Vertretung durch den nächsten 
Agnäten eintreten, ja man stellte später diese Vertretung unter 
den Gesichtspunkt der civilrechtlichen Vormundschaft und berief 
deshalb nach dem Eindringen des römischen Rechtes auch die 
Mutter zur vormundschaftlichen Regierung. Erst viel später 
fing man an, auch körperliche und geistige Gebrechen, die in der 
Regel unheilbar und deshalb dauernd sein werden, nicht mehr 
als Hindernisse zu behandeln, und zwar sah man naturgemäss zu- 
erst dann über sie hinweg, wenn sie während bereits bestehender 
Regierung eintraten, während man wesentlich länger daran fest- 
hielt, dass ein mit ihnen Behafteter nicht zur Herrschaft gelangen 
könne, sondern’ in solchem Falle Ausschliessung von der Re- 
gierung und Uebergang derselben an den Nächstberechtigten ein- 
treten müsse. Auf diesem Standpunkte stehen nicht nur die 
Rechtsbücher, sondern noch die Goldene Bulle vom Jahre 1356 
bestimmt, dass sowohl wegen Geistesschwäche als auch wegen 
aller erheblichen Gebrechen (famosi et notabilis defectus) Aus- 
schliessung von der Thronfolge stattfand. Freilich galt diese 
Vorschrift unmittelbar nur für die Kurfürsten, aber allgemein hat 
man sie auch auf die übrigen Fürsten ausgedehnt (SCHULZE 
a. a. OÖ. 8. 228), 
Später sah man immer mehr über körperliche Gebrechen 
hinweg, und von den heutigen deutschen Verfassungen kennen 
nur rioch die württembergische und die Koburg-Gothaische kör- 
perliche Mängel als Hinderungsgründe der Thronfolge, falls sie 
schon bei deren Eröffnung vorhanden sind. Auch bei uns ist 
dies als geltendes Recht anzusehen (RHAMmM, Verfassungsgesetze 
S. 67 Anm. 1 ünd 8. 94). Dagegen gilt unheilbare Geistes- 
krankheit noch heute nach gemeinem deutschen Staatsrechte als 
Grund für die Ausschliessung von’ der Thronfolge, obgleich die
	        
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