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übliche Verfahren, einem Landesherrn, der „zwar nicht blöd-
sinnig, aber notorisch von einer so üblen Sinnesart war, dass man
ihm die Regierung nicht anvertrauen konnte“, die Regierungs-
gewalt freilich nicht ganz zu entziehen, aber eine Regierungs-
verwesung anzuordnen, die statt seiner das Land regierte, sei
auch heute noch voller Grund vorhanden, Auch ScHULZE (a. a. O.
S. 277) hält dafür, dass die konstitutionellen Schranken nicht
ausreichen gegenüber einer auf den Thron gelangenden Persön-
lichkeit, die „durch schlimme Naturanlage oder schlechte Erzie-
hung verleitet, die Staatsgewalt in gröbster Weise missbraucht“;
in einer solchen Denk- und Handlungsweise könne sich ebenso
eine absolute Regierungsunfähigkeit aussprechen, wie in einer
eigentlichen Geisteskrankheit, und es müsse deshalb das gleiche
Verfahren eintreten, nämlich die Einsetzung einer Regentschaft,
„wodurch der seine Regierungsgewalt in grober Weise miss-
brauchende Landesherr der Ausübung derselben vollständig ent-
kleidet wird, sodass dadurch thatsächlich dasselbe erreicht wird,
wie durch eine wirkliche Entsetzung“. Zu einer solchen Maass-
regel sei ausser den landesverfassungsmässigen Faktoren jetzt ent-
schieden auch die Reichsgewalt berufen. Die Befugniss dazu er-
gebe sich aus der Aufgabe, das Recht innerhalb des Bundes-
gebietes zu schützen, insbesondere auch die Fürsten gegen Auf-
lehnung ihrer Unterthanen zu vertheidigen. Wenn es deshalb
den landesverfassungsmässigen Faktoren nicht gelinge, einen ge-
ordneten Rechtszustand herzustellen, so sei die Reichsgewalt,
d. h. Kaiser und Bundesrath, berechtigt und verpflichtet, mit
Zwangsmaassregeln gegen eine Regierung einzuschreiten, welche
ihre verfassungsmässigen Bundespflichten nicht erfülle, wozu auch
die Führung einer geordneten Landesregierung gehöre. Die
Zwangsmaassregeln könnten ausgedehnt werden bis zu einer Se-
questration des Landes und seiner Regierungsgewalt, d. h. zur
Uebernahme der gesammten Regierungsgewalt durch das Reich,
durch Einsetzung einer Regentschaft oder durch einen wirklichen