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die Entziehungsbefugnis des Staates abhängt, ist jedoch keines-
wegs als für alle Auszeichnungen und Personen völlig gleichartig an-
zusehen, vielmehr kommt es hierbei sowohl auf Höhe und Art
der Auszeichnung als auf die persönlichen Verhältnisse des Aus-
gezeichneten an. Eine andere ist die Ehrenverpflichtung des-
jenigen, der den höchsten Staatsorden erhalten hat, eine andere
die des Inhabers eines einfachen Ehrenzeichens. Ebenso ver-
schiedene Ehrenverpflichtungen haben der Inhaber eines Militär-
verdienstordens und der Arzt, dem der Titel „Sanitätsrat* oder
der Kaufmann, dem der Titel „Kommerzienrat“ 1 zu teil geworden
ist. Es kann deshalb vorkommen, dass wegen derselben Handlung
(z. B. Feigheit) dem einen seine Auszeichnung entzogen werden
kann, dem andern nicht. Das ist aber festzuhalten, dass bei
erheblichen Rechtsverletzungen der Staat die von ihm ver-
liehenen Auszeichnungen regelmässig wieder entziehen kann; denn
jene vertragen sich kaum je mit der Ehrenverpflichtung des
Inhabers.
Wir sind somit schon allein auf Grund des Begriffes der
die Unbescholtenheit voraus, mit dem Wegfalle derselben hörten die über-
tragenen Rechte von selbst auf“. Dies widerspricht unserer Auffassung
insofern nicht, als mit dem Aufhören der „Rechte“ die Auszeichnung noch
nicht verloren ist, wie das Bestehen der Vorschrift des $ 22 desselben
Preussischen Strafgesetzbuches ja lehrt.
1# Ein Kaufmann, dem der Titel „Kommerzienrat“ verliehen worden
ist,darf sich vor allem kein unlauteres Geschäftsgebahren zuschulden kommen
lassen. Offenbar aus diesem Grunde hat nach jüngst durch die Zeitungen
gegangenen Berichten der Herzog von Anhalt vor nicht langer Zeit den
von ihm verliehenen Kommerzienratstitel einem gewissen X wieder entzogen.
Da X den Titel trotzdem weitergeführt hat, ist er vom Schöffengerichte in
Coethen auf Grund des $ 860 No. 8 des R.-Str.-G.-B. verurteilt worden.
Die von ihm beim Landgerichte Dessau und Oberlandesgerichte Naumburg
eingelegten Rechtsmittel sind erfolglos geblieben. Es kommt zwar in diesem
Falle anhaltisches Staatsrecht in Betracht; danach dürften aber die Ver-
hältnisse kaum anders liegen, als in Preussen. Die wiederholten Bemühungen
des Verfassers in den Besitz der Strafurteile zu gelangen, um die Ansichten
der Gerichtshöfe anführen zu können, sind erfolglos geblieben.
Archiv für öffentliches Recht. XVI. 4. 35