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Vermögenswert eine Entschädigung leiste °®, so ist zu sagen, dass
dadurch das Gemeininteresse nicht geschädigt, sondern eine ein-
fache Pflicht der Billigkeit erfüllt wird. Bei Titel und Orden
aber will JELLINEK das öffentliche Interesse hinter dem zu
schonenden Einzelinteresse zurücktreten lassen und zwar derart,
dass dadurch die Würde des Staates und das Gemeinwohl aufs
erheblichste gefährdet würde. Oder wäre dies nicht der Fall,
wenn z. B. der Staat den Titel Justizrat, den infolge einer
Namensverwechselung ein Gerichtsschreiber statt eines Rechts-
anwalts erhalten hat°”, ersterem belassen müsste, oder wenn in
dem oben erwähnten Beispiele dem Soldaten, der sich nicht aus-
gezeichnet hat, der auf Grund falschen Berichtes Dritter unver-
dientermassen verliehene Orden nicht abgenommen werden
könnte? Etwas Strafwürdiges hat sich weder der (Gerichts-
schreiber, noch der Soldat zuschulden kommen lassen, ja nicht
einmal etwas Unehrenhaftes.. Das Gleiche müsste von einem
Arzte gesagt werden, der den Titel „Sanitätsrat“ empfangen und
sich späterhin als schlimmster Ignorant entpuppt hat. Aber hier
verlangt das für das Gemeinwohl gewiss nicht unwichtige Ansehen
der Wissenschaft, wie in jenen Fällen die Ehre des Anwalt-
standes und die Bedeutung des militärischen Verdienstes eine
Entziehung der verliehenen Auszeichnungen. In solchen und
vielen andern Fällen reicht also das Recht der Entziehung zur
Strafe®® nicht aus, um das Interesse des Staates zu wahren.
Wenn daher überhaupt die Rechte der Einzelnen vor den Pflichten
5° JELLINEK a. a. O. S. 821 Abs. 5.
5” Der Fall klingt paradox, hat sich aber in den 50er Jahren des
19. Jahrhunderts genau so in einer preussischen Stadt (Trier) zugetragen. Dem
Gerichtsschreiber wurde damals freilich merkwürdigerweise der Titel
belassen.
58 Darin dürfte übrigens wohl die von uns ohne Berücksichtigung eines
Rechts des Ausgezeichneten nachgewiesene Befugnis zur Entziehung „wegen
Unehrenhaftigkeit“ grossenteils enthalten sein. Ebenso deckt sich mit letzterer
teilweise die Entziehung „im öffentlichen Interesse“, aber nicht soweit,
dass einer der beiden Begriffe den andern überflüssig machte.