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folgen. So bemerkt z. B. der erstere im $ 24 seiner „Elementa
iurisprudentiae universalis“, dass „ius gentium nihil aliud est
quam ius naturae, quatenus illud inter se summo imperio non
connexae gentes diversae observant, quis eadem invicem suo modo
officia praestanda, quae singuli per ius naturae praescribuntur“.
„Le droit des gens distinct du droit naturel est une chimöre*,
ruft BARBEYRAC aus? „Il faut donc appliquer aux nations“,
meint VATTEL, „les rögles du droit naturel pour decouvrir quelles
sont leurs obligations et quels sont leurs droits.“ ®
Auf diese Weise wurde der naturrechtliche Standpunkt von
Anfang an der herrschende in der Doktrin des Völkerrechts.
Anders konnte es auch gar nicht sein. Im Mittelalter und in
der ersten Hälfte der Neuzeit trugen die Beziehungen zwischen
den einzelnen Staaten meistens einen zufälligen Charakter. Diese
oder jene Usancen wurden nicht zufolge Erkenntnis ihrer recht-
lichen Notwendigkeit beobachtet, sondern hauptsächlich ihrer
inneren Zweckmässigkeit wegen. Anderseits war die Praxis des
völkerrechtlichen Verkehrs und das Vertragsrecht, welches, wenn
auch nur schwach entwickelt, immerhin existierte, nur einem sehr
beschränkten Kreise von Personen bekannt, welche zu einer
wissenschaftlichen Bearbeitung desselben im allgemeinen wenig
neigten, Deshalb ist auch dasjenige Völkerrecht, welches wir
in den Schriften der Begründer dieser Wissenschaft finden,
grösstenteils das Produkt eines Rechtsgefühls oder, wie es neuer-
dings heisst, ein intuitives und dabei ein auf privatrechtlicher
Grundlage aufgebautes Recht‘.
Während des Bestehens des Patrimonialstaates und der aus
2 Cit. bei Rıvier in Holtzendorff’s „Handbuch des Völkerrechts“ Bd. I
S. 431.
® Le droit des gens, Prelim., $ 6.
* Zwar unterscheidet der „Vater“ desinternationalen Rechts, H. GroTIUs,
ein abstraktes (natürliches) und ein positives Völkerrecht, doch artete das
letztere bei seinen Nachfolgern in ein blosses Konstatiren von Thatsachen
ohne jegliche kritische Analyse aus.