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sind dem Privatrecht untergeordnet, welches als eine Gesamt-
heit von Normen gedacht wird, die eine selbständige, vom
Staate unabhängige Existenz haben können. Wenn also die
Verhältnisse zwischen Staaten und zwischen Privatpersonen
als identisch angesehen werden, so können sie augenscheinlich
auch nur durch ein und denselben Normenkomplex geregelt
werden.
Es genügt indessen, einen Blick auf das wirkliche Leben
und die Praxis des internationalen Verkehrs zu werfen, um sich
von der Irrtümlichkeit dieser Anschauung zu überzeugen.
Es besteht kein Zweifel, dass wenn ein Staat in den Grenzen
eines andern sich ein Grundstück oder überhaupt ein unbeweg-
liches Gut durch Kauf ersteht, wir es mit einer Erscheinung zu
thun haben, die sich schon prima facie wesentlich von dem Falle
unterscheidet, wo ein Staat die Gebietshoheit über einen Land-
teil erwirbt. Im ersten Falle tritt der Staat als ein Subjekt
vermögensrechtlicher Ansprüche auf, im letzteren als ein politi-
sches, seine Hoheitsrechte ausübendes Gemeinwesen.
Wie man also aus diesem Beispiele ersieht, gehören nicht
alle zwischenstaatlichen Verhältnisse zu einem Typus. Man kann
da zwei, inhaltlich sehr verschiedene Gruppen unterscheiden. Da
fragt es sich denn, ob die Normen des Völkerrechts wohl für
beide Gruppen anwendbar sind, und wenn nicht, so für welche
von beiden ?
Es ist schon längst anerkannt, dass nur Staaten Subjekte
des Völkerrechts sind !?. Deshalb, wenn ein völkerrechtliches
1? Neuerdings hat man zu beweisen versucht, dass auch Privatpersonen
und Staatsorgane denselben Charakter besitzen. So behauptet KAUFMANN,
Die Rechtskraft des internationalen Rechts 1899, dass es an der Zeit wäre
die veraltete Lehre vom Staate als dem einzigen Subjekt des Völkerrechts auf-
zugeben und anzuerkennen, dass auch einzelne Personen und Staatsorgane die-
selbe Eigenschaft besitzen. Indessen beruht seine ganze Argumentation durch-
gehends auf einer echten petitio principii. Vgl. meine Rezension im (russischen)
„Rechtsboten“ 1900 Nr. 1. Ein Verfechter dieser Ansicht scheint auch
Archiv für öffentliches Recht. XVI. 4. 38