— 583 —
begriff. Mit der Zeit änderte sich jedoch die Sachlage. Man
begann den Staat als ein Ganzes aufzufassen, unabhängig von
den einzelnen ihm zukommenden Rechten, den Fiskus aber als
eine Seite dieses Ganzen. Einer der neuesten Forscher dieser
Frage — RINTELEN — sagt: „Nach heutigem Staatsrechte ist
die vermögensrechtliche Persönlichkeit des Staates begrifflich nur
eine Seite der Staatspersönlichkeit“15, Jetzt ist dieser Stand-
punkt unbedingt der herrschende. Und nicht nur die Theorie
hat ihn angenommen, sondern auch die modernen Gesetzgebungen
führen ihn durch.
Der Fiskus ist also der Staat selbst, welcher mit gewissen
Rechtsbefugnissen ausgerüstet ist, Rechtsbefugnissen, die sich
qualitativ von den Rechten der Herrschaft, der Souveränität
unterscheiden. Die juristische Natur dieser Befugnisse des
Staates muss jedoch näher bestimmt werden. Vom Standpunkte
einer sehr zahlreichen Gruppe von Autoren ist die Antwort auf
diese Frage höchst einfach: als Fiskus erscheint der Staat in
denjenigen Fällen, wo er sich den Normen des Privatrechts
unterordnet und, dem imperium entsagend, in den Civilverkehr
tritt. — So LaBann !6, Zorn!”, H. ScHuULzE!®, M. SEIDEL" u. v. a.
Indessen führt eine tiefere Analyse der bestehenden Verhältnisse
zu der Ueberzeugung, dass die fiskalische Natur des Staates sich
nicht nur in der privatrechtlichen Sphäre des Privatrechts, sondern
nicht selten auch in jenen Fällen offenbart, wo der Staat sich in
den Schranken des öffentlichen Rechts bewegt. In der That tragen
viele vermögensrechtlichen Befugnisse des Staates unbedingt einen
öffentlichen Charakter; so wird z. B. das Verhältnis des Staates
15 Sub verbo „Fiskus“ im Handwörterbuch der Staatswissenschaften.
16 Staatsrecht des Deutschen Reichs 1895, 3. Aufl., Bd. II S. 801 ff.
17 Staatsrecht des Deutschen Reichs Bd. II S. 220.
18 Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts 8. 576; auch RINTELEN,
loc. eit.
19 Bayerisches Staatsrecht Bd. IV S. 1f.
38*