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den internationalen Rechtsverhältnissen handelt, führt er die
„Ausübung von Hoheitsrechten“ als ein Element dieses Begriffes
an?®, Leider beschränkt sich LiszT auf einige wenige Defini-
tionen und Beispiele, ohne die Frage in ihrem ganzen Um-
fange einer kritischen Analyse zu unterziehen, während doch
das Verwechseln dieser beiden Arten von Rechtsverhältnissen
zweifelsohne von grossem Schaden für die Konstruktion vieler
Institute unserer Wissenschaft ist. Und es wäre wohl eine
dankbare und nützliche Aufgabe für den Forscher, das ganze
System des Völkerrechts von diesem Standpunkte aus einer
Durchsicht zu unterziehen und mit kühner Hand all das zu ent-
fernen, was nicht zu dieser Disziplin, sondern ins Gebiet des
inneren Staatsrechts gehört.
In der folgenden Ausführung werden wir bei einigen spe-
ziellen Fragen verweilen und ihre völkerrechtliche Seite hervor-
zuheben suchen.
III.
Betrachten wir zuerst diejenigen Rechtsverhältnisse, die ent-
stehen, wenn ein Staat das Eigentumsrecht auf ein Grundstück
erwirbt, das sich auf fremdem Gebiet befindet.
Wie schon erwähnt, muss dieser Fall streng von dem Er-
werb der Gebietshoheit unterschieden werden. Indem der Staat
Grundeigentum auf fremdem Territorium erwirbt, bedient er sich
gleich Privatpersonen der Formen und Titel des Civilrechts,
wobei das imperium über das betreffende Grundstück dem
Territorialsouverän verbleibt. In den Fällen jedoch, wo eine
Erweiterung der Gebietshoheit des Staates stattfindet, unterwirft
sich derselbe den Regeln des internationalen Rechts. Wie augen-
28 Völkerrecht 1898 S. 104: „Rechtsverhältnisse, als deren Träger auf
Seiten des Berechtigten wie des Verpflichteten ein Staat erscheint, sind nicht
notwendig völkerrechtliche Rechtsverhältnisse. Sie sind dieses vielmehr
nur dann, wenn den Inhalt dieser Berechtigungen und Verpflichtungen die
Ausübung von Hoheitsrechten ausmacht, also von solchen Rechten, die Aus-
fluss der Staatsgewalt sind.“