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sogen. Staatsservituten so reich ist. Bei dieser Frage erlauben
wir uns zum Schluss unserer Abhandlung etwas eingehender zu
verweilen. Der römische Begriff des Servituts ist nicht vor dem
Ende des 17. Jahrhunderts in das Gebiet des öffentlichen Rechts
übertragen. Wie es scheint, hat zuerst VITRIARIUS den Aus-
druck servitus iuris publici gebraucht“. Seinem Beispiele folgten
alsbald viele andere Juristen, und zum Anfang des 18. Jahr-
hunderts kann man schon eine ganze Reihe von Dissertationen
nennen, die speziell dieser Frage gewidmet sind. In der civili-
stischen Struktur der damaligen Verhältnisse und der Anschauung,
dass Landesherren Eigentümer sind, fand die Lehre von den
staatsrechtlichen Servituten einen für ihre Entwicklung sehr ge-
eigneten Boden. Und vom Standpunkte des Staatsrechts des
Deutschen Reichs und der dasselbe bildenden politischen Orga-
nismen erschien die Konstruktion der einem Souverän im Ge-
biete eines andern gehörenden Rechte als Servitut vollkommen
statthaft.
In der Doktrin jedoch wurde der neue Begriff zuerst von
ENGELBRECHT angewandt*. Seiner Ansicht nach können alle
einem Souverän auf fremdem Grund in modum servitutis ge-
hörenden Rechte in zwei Kategorien geteilt werden: zur ersten ge-
hören die, welche ex luculentissima iuris naturalis et gentium scatu-
rigine demanent et absque pacto hominum debeantur, das sind
servitutes iuris publici universalis sive juris gentium®°, d. h. Servi-
tute des Völkerrechts. Zur zweiten Kategorie gehören diejenigen
Rechte, welche bloss conventione vel praescriptione vel alio modo
acquiri possunt. Sie nennt ENGELBRECHT servitutes iuris publici
4° VITRIARIUS, Institutiones juris publici Romano-Germanici. Lugd. 1686
Vgl. die ausführliche Monographie von Crauss, Die Lehre von Staatsdienst-
barkeiten 1894 8, 47.
“% Jon. Carıst. ConRAD ENGELBRECHT, De servitutibus juris publici sine
Juribus praecipio in imperio Rom.-germ. imperantis etc. 1715.
°° Der Ausdruck serv. juris gentium ist zuerst von HARPPRECHT ge-
braucht worden.