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geräumt, und man operiert damit als mit etwas vollkommen Un-
bestreitbarem und Bestimmtem.
Wie einfach aber das allgemeine Schema auch sei, so ruft
doch eine nähere Analyse der einzelnen Elemente dieses Begrifis
die grössten Meinungsverschiedenheiten hervor. So behaupten
einige Gelehrte z. B., dass es ausser den auf Vertrag beruhenden
Servituten noch natürliche internationale Dienstbarkeiten giebt,
denen alle Staaten kraft ihrer gemeinsamen Nachbarschaft unter-
worfen sind. Als Beispiel wird hierbei auf die Ströme hin-
gewiesen, die durch das Gebiet mehrerer Mächte fliessen, deren
natürlicher Lauf von keinem dieser Staaten zum Schaden der
andern abgelenkt werden darf®?. Die Mehrzahl der Schriftsteller
verhält sich jedoch negativ zu dieser Kategorie und erkennt
völkerrechtliche Servitute nur auf Grund von Verträgen an.
Auch bei der Bestimmung des Umfanges dieses Begrifts
gehen die Ansichten auseinander. Nach der bis jetzt noch ver-
breitetsten Ansicht muss unter einem Staatsservitut jegliche Art
einer dauernden Beschränkung der Hoheitsrechte des einen
Staates zu Gunsten eines andern verstanden werden. Diese An-
schauung teilen KLUEBER, FIORE, CALVO, HEFFTER u. v.a. Vom
Standpunkte anderer kann indessen von Staatsservituten nur im
Falle einer Beschränkung der Gebietshoheit zu Gunsten eines
andern Staates die Rede sein. So sind, nach der Definition von
Crauss, „Staatsservitute dauernde, durch speciellen Vertrag ge-
schaffene Beschränkungen der Gebietshoheit eines Staates gegen-
über einem andern Staat °%.
Diese Ansicht unterstützen auch BrıE°®, RıvIER®® u. e. a.
Wie wir eben gesehen haben, liegt dieser ganzen Lehre die
68 HEFFTER, Völkerrecht $ 34.
54 Crauss, op. cit. S. 143.
55 Abhandlung in v. Srteneet’'s „Wörterbuch des deutschen Verwal-
tungsrechts“ Bd. II 8. 573.
s° Prineipes du droit des gens t. I p. 297.