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Ebenso kann sich der Staat A das Recht ausbedingen, eine
Eisenbahnlinie durch irgend einen dem Staate B gehörenden
Lendstrich zu führen. Hierbei ist zu bemerken, dass B nur
in dem Falle das Recht besitzt, dem Staate A. diese Konzession
zu erteilen, wenn das ganze betrefiende Grundstück ihm gehört.
Wenn also das Land Privateigentum dritter Personen ist, über
das der Staat nur ein hoheitsrechtliches imperium besitzt, so ist
eine vorhergehende Expropriation nötig.
Analoge Verhältnisse können bei der Errichtung einer Tele-
graphen- oder Telephonlinie, eines Unterseekabels u. s. w. ent-
stehen. Indessen spielt in allen diesen Fällen nicht das Terri-
torium als solches die Rolle eines praedium serviens, sondern
nur ein konkreter Teil desselben, welcher als Objekt des Eigen-
tumsrechts des Fiskus erscheint, und dabei nach der allgemeinen
Regel nicht sein privates, sondern sein Öffentliches Eigentum
vorstellt. Meistens wird ja das praedium serviens zum domaine
public de l’Etat — zum Staatseigentum — gehören, weshalb alle
Streitigkeiten in diesen Sachen sich als der Jurisdiktion der
Ortsgerichte nicht unterstehend erweisen werden. Im Grunde
genommen ändert das aber die Sache nicht, da alle Rechts-
verhältnisse zwischen den beiden Subjekten — den Staaten —
von dem inneren Recht desjenigen Landes normiert werden, in
dem sich das praedium serviens befindet°®. Indem ein Staat auf
fremden Grund und Boden Servitutsrechte erwirbt, unterwirft er
sich tacite dem fremden Gesetz. Im Falle eines Streites wäre
eine Berufung auf die Normen des Völkerrechts vollkommen un-
statthaft, da letzteres nur diejenigen Rechtsverhältnisse normiert,
als deren Subjekte unabhängige, ihre Hoheitsrechte ausübende
politische Organismen erscheinen.
Bloss in diesen engen Grenzen kann man unserer Meinung
5 Vgl. MeıLı, Eisenbahnverträge in Holtzendorff’s „Handbuch des
Völkerrechts“ Bd. III S. 263.
s® Vgl. v. Liszt, Völkerrecht S. 105.