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nach von Staatsservituten reden. Was aber die Fälle betrifft,
wo ein Staat zu Gunsten eines andern seine souveränen Rechte
einschränkt, so kann man in ihnen nur rein obligatorische Ver-
hältnisse sehen. Und den Verfechtern der entgegengesetzten
Meinung ist es bis jetzt wohl kaum gelungen, irgendwelche that-
sächliche Beweise für die Richtigkeit ihrer Ansicht zu liefern.
Gewöhnlich beschränkt man sich auf Behauptungen und Exempli-
fikationen und nur sehr selten kommt es zum Argumentieren.
Es wird z. B. auf die Analogien hingewiesen, die zwischen privat-
rechtlichen‘ und völkerrechtlichen Servituten bestehen, zugleich
aber auch verschiedene Einschränkungen gemacht, die im Grunde
genommen die ganze Lehre entkräftigen. So wird z. B. be-
hauptet°®, dass das praedium dominans und das praedium serviens
nicht notwendigerweise aneinander zu stossen brauchen, sondern
im Gegenteil beträchtlich von einander entfernt sein können; dass
die Bestimmungen des Civilrechts, terminus u. s. w. betreffend,
hier nicht anwendbar sind u. a. m.°°
Diese ganze Lehre ist im Grunde genommen auf rein aprioren
Erwägungen aufgebaut und hat als Hauptstützpunkte erstens die
Auffassung des Völkerrechts als eines Systems privater zwischen-
staatlicher Verhältnisse und zweitens die civilistische Konstruktion
der Gebietshoheit. Indem man von einer präsumptiven Analogie
zwischen Privat- und Völkerrecht ausgeht, folgert man, dass,
wenn im ersten das Institut der Servitute besteht, es auch im
letzteren vorhanden sein müsse. Das ist, wie wir schon gesehen
haben, Worr’s Standpunkt, der wie ein roter Faden durch
die gesamte Litteratur unserer Wissenschaft geht. Als wich-
tigstes (man kann sogar sagen einziges) Argument für die Theorie
des internationalen Servituts wird der Umstand hervorgehoben,
dass bei Abtretung eines servitutbelasteten Teils des Territoriums
5% So v. HoLTZENDORFF im „Handbuch des Völkerrechts“ Bd. II S. 247.
6 Rıvier, Principes du droit des gens t. I p. 298.