Full text: Archiv für öffentliches Recht.Sechzehnter Band. (16)

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das Servitut nicht aufhört zu bestehen, sondern im Gegenteil 
das praedium dominans (der das Servitut besitzende Staat) alle 
seine Rechte behält. 
Eine solche Erwägung ist jedoch schwerlich im stande, die 
Frage zu klären, da sie hauptsächlich auf einem Missverständ- 
nisse beruht. Die Sache ist die, dass wenn irgend eine Lehre 
des Völkerrechts sich durch ihre Strittigkeit und Unsicherheit 
auszeichnet, es gerade die Theorie der Gebietsveränderungen und 
ihrer rechtlichen Folgen ist. So ruft im speziellen die Frage 
von dem Einflusse dieser Veränderungen auf schon bestehende 
Vertragsverhältnisse die grössten Zweifel hervor. In der Litte- 
ratur finden wir hier diametral verschiedene Ansichten; während 
die einen (z. B. F. v. MaArTEns°!) behaupten, dass im Prinzip 
alle internationalen Rechte und Pflichten des „verschiedenen“ 
Staates auf dessen „Erben“ übergehen, versuchen andere (z. B. 
Kıarısıan ©) zu beweisen, dass der Tod eines Staates alle ihn 
bindenden Traktate löst, so dass dieselben nicht auf den Staat 
übergehen, der des ersteren Erbe antritt. Nur in einem Punkte 
stimmen die Vertreter beider Richtungen gewöhnlich überein: 
nämlich bei der Bestimmung der rechtlichen Kraft und Be- 
deutung derjenigen Verträge, die bei einer teilweisen Gebiets- 
abtretung das in Frage kommende Grundstück betreffen und es 
sozusagen belasten. Diese Verträge, heisst es, verbleiben in 
Kraft, da durch sie ein Sachenrecht auf das Territorium, dieses 
oder jenes Servitut geschaffen wird. Es entsteht also ein circulus 
vitiosus: die Verträge gehen deshalb auf den neuen Besitzer 
über, weil ihr Objekt eine völkerrechtliche Verpflichtung ist, und 
völkerrechtliche Verpflichtungen oder Beschränkungen der Souve- 
ränetät des Cedenten tragen aus dem Grunde einen sachen- 
rechtlichen Charakter, weil der Cessionar sie einzuhalten ver- 
eı Völkerrecht Bd. I $8 67, 68. 
62 KıaTıBıan, Oonsequences juridiques des transformations territoriales 
des &tats sur les traites 1892 p. 8 et suiv., 35 et suiv.
	        
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